Man sagt, dass lange Zeiten des Fastens den Geist öffnen und die Erkenntnis des Göttlichen vorbereiten. Wir wissen nicht, wie lange Bruder Freyfusz ohne Speise und Trank unterwegs war. Doch sein Körper ist am Ende seiner Kräfte. Allein sein Geist hielt ihn die letzten Schritte noch aufrecht.
Im letzten Augenblick vor der Ohnmacht sind die Gedanken unverfälscht und rein, und in diesem Moment bricht die Sonne zum ersten Mal an diesem Tag durch die Wolkendecke. Ihre hellen Strahlen fallen auf die Südwestseite des Berges auf einen schneebedeckten Hang, während die Felswand neben dem Gletscherhang in tiefstem Schatten versinkt.
Schließlich finden die vom Schneebrett reflektierten Strahlen ihren Weg durch den runden Lichtschacht in die Grabstätte der Heiligen Adelgunde. Bruder Freyfusz blickt auf, sieht durch die Waage im Fenstergitter auf den Berg: links blendendes Weiß und rechts - ohne jeglichen Übergang - tiefstes Schwarz. Sind es Bruder Freyfusz' Gedanken oder Eingebungen der Göttin? Sie formen sich in seinem Kopf: "Hel, Weiß und Schwarz, Leben und Tod, tertium non datur."
Dann vergeht der Moment der Erkenntnis, die Sonne verschwindet wieder hinter den Wolken und Bruder Freyfusz wird schwarz vor Augen. Luther, der an der Tür lauscht, vernimmt einen dumpfen Schlag.