Am selben Tag kurz vor dem Abendgebet.
"Vater, Ihr habt mich rufen lassen."
Der alte Priester schaut von seinen Bücher auf: "Bruder Xaver, was weißt du über Erzpriester Valtus und seine Gefährten?"
"Ähh, ich bin ihm noch nicht begegnet. Wenn Ihr wünscht, werde ich sofort Kammern herrichten lassen..."
"Dummkopf! Hast du in den Jahrzehnten hier im Tempel gar nichts gelernt? Seit mehr als zwanzig Jahren erforsche ich nun schon die Vita des seligen Valtus, der in den Grenzgebieten den Glauben verbreitet und die heidnischen Begräbnisrituale bekämpft hat. - Nun gut, vielleicht hätte ich öfter von meinen Bücher aufschauen und euch unterrichten sollen."
"Ja, Vater, Ihr habt natürlich recht. Steht das verehrungswürdige Grabmal nicht in der Nähe..."
"Ja, ja, aber darum geht es gar nicht. Vor zwei Jahren bin ich auf ein Rätsel gestoßen, das mir keine Ruhe lässt. In der Legende vom gerissenen Grabstein - du kennst sie bestimmt - tritt Valtus mit zwölf Gefährten auf. Dies ist recht ungewöhnlich, da er in der offensichtlich früher anzusetzenden Legende vom Trollhügel wie gewohnt mit zwanzig Gefährten unterwegs war. Kannst du das erklären?"
"Vielleicht ... haben die Schreiber die Zahl falsch..."
"Kleingeist! Aber was kann man erwarten, wenn die Legenden nicht mehr unterrichtet werden? Die Lösung muss in der Legende von der unseligen Quelle liegen. Andere konnten sie weder zeitlich noch lokal einordnen. Mir aber ist es gelungen! Die sieben gefallenen Gefährten erklären das Fehlen der Gefährten in der Legende vom gerissenen Grabstein. Irgendwo am Trollhügel muss der Kampf stattgefunden haben. Dort muss auch die Quelle liegen, die der selige Valtus befreit hat."
"Aber - zwanzig Gefährten minus zwölf plus sieben..."
"Unwissender, hätte der Schreiber etwa von dreizehn Gefährten erzählen sollen?"
"Nein, natürlich nicht, Vater, eine ausgesprochen kluge und weise Schlussfolgerung. IHR habt das Rätsel gelöst."
"Aber, mir fehlen die Beweise - noch schlimmer, sie könnten vernichtet werden. Mir ist zu Ohren gekommen, dass ein dahergelaufener Zwerg am Trollhügel nach Gold und Edelsteinen suchen will. Er wird den Boden durchpflügen, jeden Stein umdrehen und jeden Beweis dabei vernichten."
"Man, müsste dies verbieten!"
"Ja, endlich liegst du richtig. Das habe ich dem Erzpriester auch vorgeschlagen. Er hat aber nur milde gelächelt und irgendetwas von Politik erzählt. Zum Glück habe ich nicht locker gelassen und er hat schließlich erlaubt, dass der Zwerg von einer Expedition der Hel-Kirche begleitet wird."
"Eine wie immer weise Entscheidung des Erzpriesters."
"Hier ist das Auftragsschreiben mit dem Siegel des Erzpriesters."
"Welchem Priester darf ich das Schreiben überreichen? Sicher möchte er auch wissen, welche und wie viele Priester und Novizen ihn bei dieser wichtigen Aufgabe begleiten sollen und welche Mittel ihm außerdem zur Verfügung stehen."
"DU bist die Expedition. Schnüre deinen Bündel, nimm dir etwas Proviant aus der Küche und mache dich endlich auf den Weg."
"Ich muss ... allein?" Der alte Priester vertieft sich wieder in seine Bücher. Mit einer beiläufigen Handbewegung entlässt er Bruder Xaver. "Ja, Vater, natürlich, ich danke Euch für dieses große Vertrauen."