Beiträge von Rafael von Bärheim

    [Die Große Fahrt] Auf offener See

    [spielt nach "Ein Fuchs geht an Bord"]


    Die „Geehrt sei Warahan“ war an diesem Tage als Galeere-vom-Dienst eingeteilt. Das erfahrene Schlachtenschiff mit erstklassiger und mustergültiger Mannschaft sicherte nun die Weizentransporter, welche endlich die Aufnahme der Passagiere abgeschossen hatten. Diese drehten behäbig den Bug Richtung offene See und ließen Valensdorf nun hinter sich.


    Dem Ausguck der „Warahan“ fiel sofort die Veränderung an dem verwegenen Schwesterschiff „Stein des Anstoßes“ ins Auge, welche die Bucht am anderen Ende sicherte.


    „Neue Flagge am Führungsschiff…“, schrie der Seemann hinunter und sofort drehten sich eine Handvoll Offiziere-auf-Wacht mit ihren Lederrollen und den darin befindlichen gläsernen Linsen in die angegebene Richtung. „Was sehen wir da, Sir? Eine winzig kleine schwarze-weiße Waage auf einem… Tischtuch? Neben dem imperialen Großbanner und der Axtfelser Flagge? Kann das sein, Sir?“, fragte einer der hochdekorierten Männer in tadelloser Seeuniform verwundert. „Ja, sieht so aus.“, antwortete ihm der Kapitän in ebensolchem schnieken Aufzug, mit poliertem Brustharnisch, doch die Schrammen von vergangenen Kämpfen waren dennoch erkennbar.


    „Also, wenn mich nicht täusche… hm… ein Banner der HEL? Bei dem Sauhauf…", dann hielt er inne. Er hüstelte verlegen. „Ich meinte... bei den schwierigen Kameraden da drüben?“


    +++


    Und wieder sprach HEL zu ihm. Oh, und in Gedanken gab er sich ihr hin. Alles würde er für seine Göttin tun. Beten, mehr beten. Kämpfen und endlich auch sterben. Alles. Dann hörte er, wie sie ihn rief. Sogar bei seinem Namen. „ES REICHT, LOTHAR. LOOOOTHAR… jetzt ist mal gut.“ Und er spürte, wie die Göttin ihn in die Seite knuffte und auf den Harnisch schlug. Das musste sein Glückstag…“Schluss jetzt“.


    Lothar schlug die Augen auf. Nix Göttin. Gänseblümchen hatte ihn aus seinen Träumen auf dem Heck der Galeere gerissen. „Lothar, es reicht. Alle beten seit einer Stunde…“.



    Der ankoragahnische HEL-Ritter sah sich um. Links standen verlegen einige auserlesene Passagiere, welche zwischenzeitlich auch eingetroffen waren, in seinem Rücken wusste er betend die hintere Geschützbesatzung. Rechts lag das Offizierskorps auf den Knien und vor ihm… ja mittschiffs kauerten 240 Männer in Verbeugung und Andacht und hofften, dass es bald vorbei sein würde.


    Der fromme Ritter lächelte milde. „Herr Schiffsführer, tun Sie nun weiter, was sie so tun… auf so einem großen… Boot.“

    Jasper Baard, Kapitän der „Stein des Anstoßes“ klappte der Mund auf und war im Begriff mit den Augen zu rollen… überlegte sich das aber im letzten Moment siedend heiß anders. „Herr Lothar Wolf von Waldburg, wir hatten einen… ähm… unglücklichen Start. Ich entschuldige mich. Gerne… ähm… dürfen wir Ihnen später das Schiff zeigen? Zuvor müssen wir hier tatsächlich… noch was arbeiten.“



    „Klar zu großer Fahrt“, blaffte er dann eine Leute an und die Mannschaft wurde lebendig. „Und… Enno“, rief er einen der Offiziere herbei. „Alles Gepäck der Herrschaften in meine Kajüte. Ich rücke mit euch zusammen.“


    Die Jungfer Astrid von Waldburg, nun weniger Gänseblümchen, ließ sich elegant, ganz Dame, von Enno Haite unter Deck begleiten und inspizierte zufrieden ihr „schönes Zimmer mit Aussicht“, wie sie später Lothar erzählte.


    Auf dem hinteren Deck wurde nun gearbeitet und der Fuchs, wie seine Freunde Lothar nannten, verstand irgendwie kein Wort, aber fasziniert schaute er zu, wie es auf der riesigen, mit Bronzeplatten beschlagene Galeere plötzlich betriebsam wurde.


    Klar zum Grossfall! Fertigmachen zum Halsen!“ brüllte einer der Vorgesetzten und schnell bekam er die Antwort

    Ist klar“. „Steuermann, Ruder nach lee.“ „Schothorn fällt“. „Rund achtern! “

    „Mitte Fahrwasser, auf Abstand.“ „Aye“


    „Oh, wir segeln ja“, meinte der Ritter verwundert, „Und ich dachte…“ Jasper lächelte und beendete den angefangenen Satz „…dass eine Galeere nur gerudert wird? Die Handelsschiffe im Tross sind eher langsam. Aber natürlich könnt ihr das gerne mal ansehen.“


    Sie nahmen einen Abgang auf das Mitteldeck und gingen auf dem schmalen Steg zwischen den bemannten Ruderbänken entlang. Jetzt konnte Lothar auch erkennen, dass auf den Hauptsegeln die imperialen Insignien, Axt, Amboss und Dreieck, aufgenäht waren. Und das Banner und die Flaggen wehten im nun auffrischenden Wind um die Wette. Wie fein, dass sein seit Beginn der Reise im Gepäck befindliches Altartuch einen schönen Platz dort oben gefunden hatte, dachte der Ritter demütig, aber HEL würde sie auch so sehen. Und verwundert schaute er auf die in regelmäßigen Abständen, verdeckt durch Verschläge, kleineren Torsionsgeschütze an der Reling. Was es hier nicht alles gab.


    Der Kapitän nickte einem der Seekrieger zu und sogleich ertönte ein durchdringendes Pfeifensignal.


    Hunderte Riemen wurden rauschend zu Wasser gelassen und auf weitere Signale wurde nun in langsamen Takt gerudert. Das schwere Schiff machte spürbar einen Ruck nach vorn. Zufrieden sah Lothar, dass die Mannschaft nur aus freien, bewaffneten Männern bestand. Nicht wie in den Seeräubergeschichten, die er als Kind gelesen hatte. Peitschen und Ketten gab es hier keine. Der Ritter schaute genau zu, wie das Rudern ablief. Den Abstand zum Vordermann, in welchem Bogen der Riemen bewegt wurde, wo man sich auf der Bank abstieß… als er meinte, es verstanden zu haben, begann der Von Waldburg den dunkeln Brustharnisch aus Frosttaler Stahl zu öffnen.


    „Hee, was tut ihr denn?“, fragte Jaspar entgeistert. „Lasst das doch.“ Auch die Mannschaft gaffte völlig erstaunt. Nach geübten Handgriffen hatte der Ritter den Panzer geöffnet, ließ ihn von den Armen gleiten und drückte ihn dem Kapitän in die Hand. „Haltet ihr das mal gerade? Sehr liebenswürdig, danke.“ Dann lächelte er einem der Seeleute zu. „Braver Mann, darf ich?“ Der Bursche, eher ein halber Pirat, konnte sich gar nicht vorstellen, dass er gemeint war und schaute sich um. Verblüfft nickte er dann aber und machte den Platz frei.


    Nun war Lothar nicht das Kraftpaket an sich, aber er hielt bei der ungewohnten Arbeit gut mit. Nach einiger Zeit setzte sich der Kapitän seufzend auf den Mittelsteg. Und auch Gänseblümchen, der es mittlerweile in der Kabine langweilig geworden war, setzte sich dazu. Nach einiger Zeit fragte Lothar den Mann neben ihm, ob er durchtauschen mochte. So rutschte Lothar auf den Platz des Mannes und sein Kamerad, der pausiert hatte, übernahm seinen ursprünglichen Platz.


    Nach einer Stunde gab Von Waldburg das Ruder wieder ab. „Danke für diese Gelegenheit zu beten, Kapitän Baard. Die Zeit reichte für drei Lobpreisungen“, meinte der fromme Ritter, als er den Harnisch wieder anlegte und den irritierten Blick der Mannschaft bemerkte. Der Fuchs lächelte. Dann rief er laut: „Für den Imperator!“ und aus hunderten Kehlen wurde ihm geantwortet „…und das Reich.“ Astrid schaut ihn an. „Bruderherz, bitte denke an das Phönixreich!“ „Ohja…Ex oriente“, rief er daraufhin. Und ein „Lux“ donnerte von den Ruderbänken und die Männer hatten ein Leuchten in den Augen.


    Jasper Baard, wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber auch er sah die Begeisterung seiner Männer. Er kannte sie gut. Seeleute… ja. Aber auch erprobte Enterer und Halsabschneider. Sie waren das beste Schiff des Imperiums und das wurde man nicht durch gutes Aussehen oder brave Manieren. Aber dieser Von Waldburg… ob die HEL jetzt wirklich ihre Hand über dieses Schiff hält? Dann ging ihm auf, wie sich das Wetter gebessert hatte, seit Lothar an Bord war…und das der Wind gerade so ideal wehte, dass selbst die Transportschiffe in ihrem Kielwasser gut voran kamen. Wie dem auch sei… einen frommen Ritter an Bord zu haben schien manchmal anstrengend, aber nicht von Nachteil zu sein und bei der Mannschaft hatte er sich mit seinem Einsatz nun Respekt verdient. Trotz der Beterei. Wie würde diese Reise weitergehen? Ihr Weg führte nun auf die offene See. Und dort hinter dem Horizont lag das Imperium von Ankoragahn, aber vielleicht auch fremde, unbekannte Länder… und vor ihnen wohl die Flotte des Phönixreiches auf Großer Fahrt.

    [Die Große Fahrt] Valensdorf: Ein Fuchs geht an Bord



    Nach dem Zusammentreffen von Lothar Wolf von Waldburg mit dem hohen Herzog von Axtfels, Kaldor Kayanee, machten sich der ankoragahnische Reichsritter gemeinsam mit seiner kleinen Schwester Astrid, genannt Gänseblümchen, geschwind auf, um auch den Baron Talan in Valensdorf zu warnen. Aber natürlich erst nach einem längeren Gebet zu HEL, denn nur die Göttin wusste, was auf dem Weg durch ein Land in Aufruhr alles geschehen mochte. Auch die beiden Kriegsknechte, welche zwischenzeitlich wieder zu ihnen gestoßen waren, ritten brav hinterdrein. Und der Ritter hatte die vage Vermutung, dass nach all dem, was um sie herum so passierte, niemand mehr etwas von albtraumhaften Vermutungen und Warnungen der HEL hören mochte. Die Erde erzitterte allenthalben und in den größeren Ortschaften, die sie passierten, brannten Leuchtfeuer um die Menschen zu warnen. Überall waren die Einwohner dabei, ihre Habseligkeiten zu packen.



    So nahm die kleine Gruppe die südliche Route am Rand des Grenzwaldes entlang und einmal von Weitem wurden sie sogar kurz den riesigen Axtfelser Trollen ansichtig, von denen Lothar viel gelesen hatte. Doch auch diese waren nicht angriffslustig, sondern eher verstört und wie die Menschen beunruhigt und verschwanden rasch wieder im Unterholz des unheimlichen Waldes.



    „Eigentlich ist ja Axtfels richtig schön, Bruderherz“, meinte Gänseblümchen am vierten Tage der Reise gen Küste und schaute verträumt in die wunderbare Landschaft. „Aber kaum sind wir angekommen, geht das Land unter.“ Astrid schaut Lothar, den seine Freunde „Fuchs“ nannten, einen Moment lang kritisch an. Nein, natürlich konnte er nichts dafür. Wie auch. Er war nur anstrengend, dachte sie und als hätte sie es geahnt, fiel er ihr prompt ins Wort. „Gänseblümchen, ich habe mir dazu auch schon Gedanken gemacht, weißt du? Ist dir aufgefallen, dass es hier zu wenig Tempel gibt? Ich habe ja den Verdacht, dass die Menschen vielleicht hier nicht ernsthaft und vor allem lange genug gebetet haben. Ja, so ein neues Land bringt viel Arbeit mit sich, schon klar, aber Gottesdienst zu vernachlässigen kann ja fatale Folgen haben. Zurück in Ankoragahn werde ich den Menschen auf der Straße und den Städten überall erzählen, wie gefährlich das ist. Zuwenig zu beten. Und das dann das Land untergeht.“ Astrid grinste belustigt und rollte mit den Augen. „Ja, Bruder tu das. Weiß die Göttin, wohin dich der Hohe Rat von Karan dann entsenden wird. Ans Ende der Welten?“ Lothar ersparte sich eine freche Erwiderung für die er wiederum hätte Abbitte leisten müsste. Er schaffte kaum das übliche Pensum an Lobpreisungen. Immerhin hatte er jetzt auch den Herzog miteinzuschließen.



    Am achten Tag kamen sie endlich in Valensdorf an. So eine schöne Stadt! Sie passierten das größte Stadttor, dass Lothar je gesehen hatte. Nirgendwo, nicht einmal in der Hauptstadt des Imperiums, dem vorzüglichen Karan, gab es sein solches Tor wie in Valensdorf. Eigentlich war es fast eine Festung für sich. Die Geschichte, welche sich darum rankte war interessant, doch für Besichtigungen blieb ihnen nicht die Zeit. In der Stadt selber fragten sie sich durch das Durcheinander, bis sie die Residenz des Baron Talan gefunden hatten. Im prächtigen Gebäude selber stand das Tor offen und sie fanden Leute bei der Arbeit vor.



    Ein Mann, der augenscheinlich Administrator der Verwaltung war und sich als Jonas vorstellte, war gerade dabei, Listen zu vervollständigen, während er gepackte Kisten zählte. Er teilte ihnen mit, dass Talan nicht zugegen wäre, dieser aber einen Auftrag für den Ritter hinterlassen hatte. Stirnrunzelnd überflog der „Fuchs“ die wenigen Zeilen... und sah dann seine Schwester an, die ihn erwartungsvoll mit großen Kulleraugen anschaute. „Gänseblümchen, sie schicken uns auf eine Galeere! Imperialer Befehl… und eine Axtfelser Anweisung.“ Die wiederum schnappte sofort nach Luft und unter aufsteigenden Tränen fragte sie aufgebracht: „Warum? Ich habe doch nix gemacht, wie könnten die nur… Dabei wollte ich doch nur die schönen Königinnen am Phönixthron sehen…“



    Lothar lachte. „Unsinn. Offenbar gibt es hier ein widerborstiges Schiff und ich wäre der richtige, um dort nach dem Rechten zu sehen, meint der Baron. Komm, Schwesterchen, lass uns direkt Richtung Hafen, hier scheint schon alles in Auflösung zu sein.“



    Je näher sie dem Hafen kamen, um so dichter wurde die Menschenmenge. Über den Dächern der Häuser war schon von weitem ein wahrer Wald an Mastspitzen zu erkennen. Die Axtfelser Gardisten, welche in den Straßen für Ordnung sorgten, nickten dem Ritter zu, wenn sie ihn und sein kleines Gefolge erkannten.



    Endlich erreichten sie die Kaimauern und sahen auch die Schiffe. Mächtig wie Burgen waren die imperialen Weizentransporter, welche ganz am Ende lagen. Aber auch viele kleine Handelsschiffe lagen näher und nahmen geordnet Familien mit Kindern auf.



    Und auf Reede, fern ab vom Tumult im Hafen, lagen die Kampfschiffe. Schnittig und in ihrem Aussehen wie mit Bronzeplatten beschlagende Raubkatzen, lagen die drei gefährlichen Galeeren im Küstengewässer, als warteten sie auf ihre Gelegenheit zur Jagd.



    Mit Hilfe der Garde fanden sie den völlig überarbeiteten Hafenmeister und dieser ließ alsbald vom Leuchtturm Flaggensignale geben. Als der gute Mann hörte, was für eine Aufgabe Von Waldburg auf dem Schiff zuteilwerden sollte, runzelte er die Stirn und schaute ängstlich. Diese Schiffe wären völlig durchgedreht, schießwütig und unverfroren, lästerte er dann aber böse. Schnell hatte er einige Hafenarbeiter zusammengerufen und dann ging es auf großes Ruderboot, dass in der Nähe des Leuchtturmes vertäut lag.



    Nach einer halben Stunde stiegen die Geschwister und die beiden Kriegsknechte eine wackelige Strickleiter hinauf, welche an der Bordwand hing. Zwischen den Öffnungen der vielen Ruder konnte man die Gesichter der Besatzung sehen, welche die Ankömmlinge neugierig und lachend begafften.Dann schwangen sie sich, oben angekommen, über die Reling. „Willkommen an Bord der Stein des Anstoßes“, begrüßte sie ein Führungsoffizier in blauer Uniform mit imperialen Abzeichen hämisch und breit grinsend, wobei der sie offensichtlich arg abschätzig mustere. Ein Ausspucken konnte der Mann sogerade noch zurückhalten, welcher mit einem ganzen Schwarm an Offizieren als Empfangskomitee frech dastand. Lothar Wolf von Waldburg ignorierte das ungehörige Verhalten, stellte sich und seine Begleiter vor, zückte den schriftlichen Befehl über das Schiffskommando und fragte den dabei plötzlich erbleichenden Kapitän dann:



    „Habt ihr heute schon gebetet?“

    Weizentransporter HOLDE MAID und WILDE ROSE

    [spielt zeitgleich zu "Untergangs-Leugner"]
    [Valensdorfer-Hafenanlagen]

    Die Menschenmenge stand seit dem frühen Morgen dicht gedrängt, angefangen von den Hafenanlagen bis hinaus zum Außenkai. Verzweiflung und Unruhe herrschte vor.
    Seit der Nacht brannte ein Leuchtfeuer auf dem höchsten Turm in Valensdorf.
    Viele der Einwohner trugen Rucksäcke auf dem Rücken und hatten weinende Kinder an den Händen. Lange nur waren die Kampfschiffe, die imperialen Galeeren, zu sehen, welche weit draußen lagen und die Evakuierung decken sollten. Doch dann tauchten schließlich weitere Schiffe auf und schon von weitem waren die riesigen Namenszüge an den Bordwänden zu lesen.
    Für Viele bedeutete dies Hoffnung auf Rettung. Reiche Leute hatten Diener dabei, die sogar Möbelstücke schleppten. Doch die Axtfelser Garde schritt immer wieder ein, um solche Auswüchse zu verhindern.

    Der zwergische Kapitän des schweren Weizentransporters HOLDE MAID schwitzte, als er das Anlegemanöver befehligte. Niemand hatte ihm gesagt, dass die Bucht von Valensdorf so seicht war. Mit seinen vier Decks und fünf Frachträumen und riesiger Tonnage war das alles andere als ein Kinderspiel. Gewöhnlich wurde mit den großen Transporteinheiten Weizen vom Kernland des Imperiums von Ankoragahn in die Übersee-Lehen, vorrangig nach Frosttal, gebracht. Menschen würden jedoch eine ungewohnte Fracht sein.
    Längst waren die Hauptsegel gerefft und festgemacht. Nur was zum Manövrieren nötig war, in diesem Falle Klüverbaum und Gaffel, reichten schließlich aus um mit dem Bug am Außenkai festzumachen. Ein Längsgehen war nicht möglich.
    Diesem Beispiel folgend, tat es das Schiff des Imperators WILDE ROSE, gleich.

    Einige Zeit später trafen weitere, auch kleinere Handelsschiffe und Koggen ein, welche bis in den Hafen einfuhren.
    Langsam beruhigte sich die Menschenmenge und geordnet wurden Familien und Kinder an Bord genommen.

    Untergangs-Leugner


    [4 Tage später – Seegebiet vor dem Hafen von Valensdorf – imperiale Galeere „Stein des Anstoßes“]


    Er zog die Nase hoch und spuckte aus. Dann beobachtete Hartmut, wie die Spucke zwischen den Ruderreihen hinab im Meer landete. Dann bemerkte er die beiden Segel am Horizont, die recht langsam näherkamen.


    „Glaubt ihr das?“, fragte er dann im Umdrehen seine Kameraden in der Geschützstellung der Galeere und beachtete dabei Kenny den Zwerg, wie dieser die Drehlafette der Ballista mit wasserfestem Öl einschmierte.


    „Was jetzt?“, schnaufte dieser und hielt mit der Arbeit inne. „Na, diese Geschichte im dem Untergang des Ostreiches. Glaubt ihr das?“


    Walter, seines Zeichens dekorierter Schütze, der jüngst Gesprächsstoff der Mannschaft geworden war, als er vor vier Tagen den Hafenmeister aufs Korn genommen hatte, verdrehte die Augen. „Alle wissen das, Hartmut. Der Steuermann stand auf Posten, als die Offiziere darüber sprachen. Er hat alles mit angehört. Und es ist die Wahrheit.“


    Hartmut guckte trotzig. „Nie im Leben. Axtfels soll untergehen? Wer soll das denn glauben? Das Lehen ist fester Bestandteil des Imperiums von Ankoragahn. Das lernt man doch in der Schule.“


    „Du Doofmann warst doch nie in der Schule, also schwing nicht so hochtrabende Reden.“ „Naja… aber, wenn ich´s gewesen wäre…“


    Jetzt kam auch der Rest der Geschützbedienung näher und lehnten sich gemütlich auf die Reling. Walter kniff die Augen zusammen und beobachteten die beiden Segelschiffe, welche sich gemächlich Valensdorf näherten.


    „Das vordere ist doch die „Wilde Rose“. Da fuhr mein Bruder eine Zeitlang drauf. Und ihr folgt die „Holde Maid“. Komisch. Das sind doch fette Weizentransportschiffe. Was wollen die wohl hier?“


    „Ist doch klar. Schau mal, wie hoch die im Wasser liegen. Die sind doch leer, jede Wette. Und denk mal, was die alles Laden können.“


    „Du meinst, die evakuieren wirklich die Einwohner?“, fragte Hartmut jetzt verunsichert. „Nein, Quatsch. Das wird eine Übung sein. Wie bei unserem Alten. Der triezt uns doch auch immer ohne Sinn und Verstand. Ich glaub das nicht.“ Alle lachten über Hartmut und Kenny knuffte ihn in die Seite. „Dieses eine Mal wünschte ich, du hättest recht, du Doofmann.“


    Sie schauten weiter zu, wie ihr Schwesterschiff, die „Axt des Imperators“ als Galeere-auf-Wacht in den Wind drehte und die Transportschiffe nun deckte. Dann bemerkten sie, wie sich einer der Offiziere dem Geschützdeck näherte und flugs waren die Männer ie wieder in ihre Routinearbeiten vertieft.

    [Die Große Fahrt] Galeeren vor Valensdorf



    Die Gischt spritze nur so vorm schnittigen Rammsporn des schweren Kriegsschiffes, als die Ruderer der Galeere „Stein des Anstoßes“ nochmals alles gaben und dann innehielten. Die erreichte hohe Geschwindigkeit reichte aus, um sie in die Bucht und vor den Hafen von Valensdorf zu tragen.


    Kapitän Baard drehte sich auf dem höher gelegenen hinteren Deck um, schaute kurz und grunzte dann zufrieden. In kurzem Abstand folgte der Rest des Geschwaders. „Die Axt des Imperators“ hatte knapp die „Gesegnet sei Warahan“ bei dem Wettkampf geschlagen.


    Dann gab er ganz plötzlich seinem ersten Offizier, der auf einem Stück Tabak kaute, einen kurzen Wink, dass sich dieser fast verschluckte. Dann rannte der Mann los und brüllte zur vorderen Geschützbesatzung hinüber. Drei Zwerge und zwei Menschen, welche in der Stellung am Bug des Schiffes lungerten, sprangen auf und funktionierten wie ein Uhrwerk. Als wäre die riesige Balista lebendig geworden, drehte sich der Koloss und wurde noch währenddessen mit einem gut drei Schritt langen, schweren stählernen Speer bestückt. Die scharfe Spitze mit ausklappbaren Bolzen blitzte in der Sonne. Und mangels Ziel richtete der Seekrieger das Geschütz auf das kleine Boot aus, sich ihnen nun aus Richtung Hafen, mit einem fröhlich im Wind flatternden Axtfels-Wimpel am kurzen Mast, entgegenkam.


    Mit einem schmatzenden Geräusch ging das schnelle Geschoß eine mannslänge vor dem Bug des Bötchens ins Meer, wo die Wellen es mit einem schmatzenden Geräusch verschlagen.


    Und nur wenige Augenblicke später war die Baliste erneut geladen. Einer der Zwerge hob nun eine grüne Flagge. Baard grunzte und schaute auf die kleine Sanduhr in seiner Hand. Das war sehr gut, dachte er sich, aber man sollte das Pack auch nicht verwöhnen. „Beim Arsch des Imperators, das habe ich aber schon schneller gesehen!“, schrie er lachend und Seesoldaten und Ruderbesatzung grinsten erleichtert. Natürlich kannten sie ihren Kommandeur.


    Der Hafenmeister dagegen kannte diese imperialen Galeeren nicht und hatte nur üble Geschichten über sie gehört. Ehrfurchtsvolle und wie auch schreckliche Geschichten. Beim Beschuss war sein Herzschlag für eine Sekunde ausgesetzt und das fand er gar nicht witzig. Entsprechend säuerlich betrat der Mann das kurz darauf das Deck des Kriegsschiffes, um dem Kapitän und dem Schiffsverband aus dem Imperium die offizielle Begrüßung zu Teil werden zu lassen. In einer Grußnote von Baron Talan zu Valensdorf hatte dieser verfügt, dass die Schiffe vorerst im Seegebiet vor der axtfelser Küste präsent sein und die weitere Entwicklung abwarten sollten.


    Über die Vorkommnisse in Axtfels in den letzten Tagen waren die Offiziere der Schiffe schnell informiert.

    Entsprechend sorgenvoll schauten diese drein.

    Erkundungsschiffe Ankoragahn


    Auf dem Weg in das Seegebiet vor Axtfels befindet sich ein Verband aus drei großen, schweren Kriegsschiffen.


    Drei Galeeren zwergischer Bauart aus dem Imperium von Ankoragahn aus den Arsenalen von Goldhafen.

    • Stein des Anstoßes
    • Geehrt sei Warahan
    • Axt des Imperators

    1. Die „Stein des Anstoßes“, ist die Galeere, welche die kleine Gruppe anführt. Vorher trug sie einen stolzen imperialen Namen, verlor diesen jedoch aufgrund von vielen unschönen Vorfällen an den Liegeplätzen und durch gefährliche Provokationen auf See, die zum großen Teil durch die führenden Offiziere verursacht wurden.

    Zuletzt war es auf einer harten Patrouillenfahrt vor Frosttal, welche die Mannschaften mehr als abgehärtet hat und die Besatzung hat einen schlechten Ruf und ist zu allem bereit.


    2. Speziell ausgerüstet für diesen Auftrag wurden die „Geehrt sei Warahan“, benannt nach dem verstorbenen Imperator. Dieses erfahrene Schlachtenschiff mit erstklassiger und mustergültiger Mannschaft hat in der Vergangenheit an verschieden Seegefechten siegreich teilgenommen.


    3. Ein Schiff, dass in den letzten Jahren diverse, auch diplomatische Aufträge im Pendeldienst zwischen verschiedenen Hafenstädten der Mittellande und dem Imperium von Ankoragahn absolviert hat.

    Offizielle Verlautbarung aus Karan, Hauptstadt des Imperiums von Ankoragahn


    Der Hohen Rat zu Karan hat nun wiederholt besorgniserregende Nachrichten aus dem Lehen Axtfels und auch anderen Teilen des Ostreiches erhalten, in denen von großen Beben, Fluten und Überschwemmungen berichtet wurde.


    Der Hohe Rat hat jetzt die Mobilmachung eines weiteren Teiles der Imperialen Flotte aus den Arsenalen bei Goldhafen beschlossen. Neben einige kleineren Einheiten werden drei mächtige und mit Ballisten bewaffnete Galeeren nach Valensdorf /Axtfels entsandt.

    Diese Galeeren, ein Erbe des Imperators, sind im zwergischen Stil gebaut und ausgelegt für Überseefahrten. Vor dem Lehen Axtfels sollen sie die Entwicklung genau beobachten.

    Mit zwei Decks und drei Reihen Ruderern bestückt, verfügen über einen metallverstärkten Rumpf, Rammsporn und einer von Zwergen konstruierten großen Heckballista, welche, wie die 240 Rudersoldaten, ein Schrecken für Piraten darstellen.


    Die imperialen Schiffe werden bereits in den kommenden Tagen in den Gewässern vor Axtfels erwartet.

    Nachtrag:

    Die Geschwister standen noch einen Augenblick unschlüssig auf dem langen Gang, als sich die Türe zum Audienzsaal nochmals öffnete.

    Der Kammerdiener, den sie anfangs kennengelernt hatten, steckte den Kopf raus. "Herr Ritter, dir dürft da noch ein Dokument abgeben. Habt ihr es dabei? Es handelt sich um das, hoffentlich korrekt ausgefüllte, Einbürgerungsformular des Fräuleins Teliandra."

    "Oh", sagte der frischgebackene Reichsritter Lothar nur und wurde prompt rot, weil der die Abgabe gerade vergessen hatte und begann alsdann an seiner Gürteltasche zu nesseln, an die er aber in der ungelenken Rüstung kaum dran kam.

    Gänseblümchen verdrehte die Augen und fischte den Brief geschickt aus der Ledertasche und drückte sie ihrem Bruder in die Hand. "Danke, Astrid. Ja, Herr Kammerdiener. Und ich habe dazu auch noch eine Empfehlung geschrieben!", sprach der Ritter und überreichte die beiden Schriftstücke offiziell.

    Das folgende Abendessen war gut und schmackhaft. Gänseblümchen, welche im Schlepp der Frosttalerinnen zurückkam, war begeistert von den vielen Fleischsorten. Auch gab es einige Spezialitäten von der fernen Eisinsel wie scharfes, getrocknetes Drachenfleisch und Trockenfisch.


    Die Kammer, in der die Geschwister übernachten durften war einfach eingerichtet, aber Lothar konnte an ohnehin an jedem Ort beten.


    Die Waldburger verließen Burg Pranke am nächsten Morgen gen Karan und in den folgenden Tagen wollten sie den Jagdtrupp im Lande Anrea wiedertreffen.

    Lothar staunte nicht schlecht. Mysterien? Geheimnisse? War der Bärengott so anders als er dachte? Natürlich konnte er sich auch wieder geißeln, falls das nötig sein sollte. Sicherlich wollte ein Kriegergott des Eises Blut sehen… aber das würde ihn schon interessieren, was da so an geheimen Ritualen praktiziert wurde. Immerhin war er doch fromm genug. Dann aber wurde er rot. Seine Duldsamkeit ließ zu wünschen übrig.


    „Verehrter He… *hust*… Fulcrum meinte ich, also wir dürfen in ein paar Tagen vor dem Hohen Rat von Karan vorsprechen. Wir sind natürlich für diese Gelegenheit HEL sehr dankbar. Wenn es sich dann im Anschluss einrichten lässt, könnten wir natürlich auf dem weiteren Weg nach dem Lande Anrea reisen. Von dem Lande habe ich bereits gelesen. Offenbar passiert dort ziemlich viel. Es würde nicht schaden, dort die armen Menschen zu unterstützen.“

    „Ähm.“, sagte Lothar nur.

    Duft? Hatte er sich nicht heute früh nicht ordentlich in der Waldquelle mit Kernseife gewaschen? Herrje. Dann wurde er rot. Offenbar transpirierte er durch den Gambeson. Wie peinlich.


    „Meine Ausrüstung? Ach, so ja, gerne bei Gelegenheit.“, dass „Hohe Dame“ im Nachsatz konnte er so eben noch hinunterschlucken. Sollte er ihr sagen, was ihm die Totengöttin bedeutete? Weiß HEL, was sie von ihm dachte. Andererseits… nein, das verstieß doch gegen die Demut und Schicklichkeit, welche ihm zuneigen war. Vielleicht ergab sich ja noch eine andere Gunst des Augenblicks um das artig zu erklären. Auch ihre Warnung… Gerade wollte er ihr eines seiner heiß geliebten Heiligenbildchen schenken, als Fulcrum ihn höflich um eine Konsultation bat. Er sah zu, wie die Damen… also die Frostalerinnen… mit Gänseblümchen im Gefolge von dannen zogen. Er musste daran arbeiten. Ein schönes Stück Arbeit, diese Kultur. Aber überaus interessant. Vermutlich hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Und er hatte das Vespergebet verpasst. Dass musste er natürlich heute Nacht nachholen. Besser zweimal. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Herrn von Burg Pranke zu.

    Unterdessen hatte sich Gänseblümchen das Zwergenbrot, welches Rollo ihr hingehalten hatte, geschnappt und begann zu kauen. „Hat so ein hartes Brot auch der Imperator immer gegessen?“, wollte sie dann vom Frosttaler wissen. „Gibt es da auch Wurst zu? Wir haben ja nur so harten Käse und mein Bruder meint immer, wir sollten froh sein, dass wir überhaupt was zu essen hätten. Und einen Teil von unseren Vorräten hat er an arme Menschen am Wegesrand und an den Einsiedlerhöfen weggeschenkt. Manchmal ist er etwas… anstrengend. Daher passe ich auch auf ihn auf.“, meinte sie dann oberlehrerhaft und zwinkerte Rollo verschwörerisch zu.