Kaldor ergriff die ihm dargebotene Hand des Grafen zu Begrüßung. Auf den Gewürzwein verzichtete er allerdings.
"Direkte Worte sind hier stets willkommen Durchlaucht."
Kaldor trat vor seinen Stuhl blieb jedoch, ebenso wie Alexander von Varamon stehen.
Bei der Andeutung auf die Nyame und ihr Dekret wurden Kaldor Augen kälter. In dieser Sache war das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Bevor seine Gedanken aber ganz zu diesem Thema abschweifen konnten, konzentrierte der Ordensmeister sich auf die ihm gestellte Frage.
"Was die Nordwacht anbelangt, so kann ich natürlich nicht für die anderen Herzogtümer sprechen, doch bin ich sicher sagen zu können, dass es überall recht ähnlich steht. Die Angriffe des vergangenen Jahres haben uns alle schwer getroffen und es wird nicht einfach sein die Verluste vollends auszugleichen. Die Nahrungsmittel werden auch in diesem Winter wieder knapp werden, aber das kennen wir hier im Norden bereits. Dennoch bin ich - und ich denke auch hier würden die Herren der Nordwacht ähnliches sagen - bereit einen heiligen Eid darauf abzulegen, dass Nordgard auch in diesem Winter wieder jedwedem Feind widerstehen wird, koste es was es wolle."
Kaldor räusperte sich kurz, sein Blick wanderte zu den Flammen des Kaminfeuers.
"Für Axtfels ist seit dem Wiederauftauchen des Truchsesses - das Licht sei bedankt - wieder Balduin vom Dunkelsee in der Pflicht. Er und Talan Winkelsgran leisten herausragendes um Axtfels wieder zu der alten Stärke und Wehrhaftigkeit von einst zurückzuführen. In diesem Zuge sind bereits zwei Lehen neu vergeben worden, eine willkommene Aufstockung der Zahl der kampfesfähigen Männer und Frauen des Herzogtums. Ich kann mich also jederzeit auf Hilfe aus Valensdorf verlassen, sollte es zu erneuten Angriffen des Feindes kommen."
Kaldor nahm auf dem Sessel Platz.
"Setzt euch doch eure Durchlaucht, eure Reise muss anstrengend gewesen sein."
Auf seinen Wink hin kamen weitere Bedienstete und brachten kleine Tischen die sie neben dem Kamin in direkter Nachbarschaft zu den zwei Stühlen drapierten. Darauf fanden gedünsteter Fisch, Geflügelkeulen und einige kleine Schalen mit Wintergemüse platz.
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Alexander:
"Danke"
Ob sich der Dank auf die angebotenen Speisen und Getränke bezog, oder die Beteuerungen des Ordensritters war nicht direkt zu erkennen - beides vermutlich. "Auch in Varamon wünsche ich mir mehr Männer und Lebensmittel. Ein nicht unerheblicher Teil der varamonischen Infanterie ist bei dem Sturm auf Hakarioth und den Sturm auf die Seenplatte ums Leben gekommen." Mit diesen Worten nahm Alexander Platz und nahm einen tiefen Schluck aus dem dampfenden Becher. Einen Moment lang erlaubte er sich gedankenverloren in das prasselnde Feuer zu starren. "Wisst Ihr, die Seenplatte ist überhaupt der Grund, warum mein Vater die Varamonier in den Osten führte. Lange bevor das erste Siegel gebrochen wurde, hatte er eine Vision. Die Vision, dass die Männer und Frauen Varamons ein geheiligtes Land befreien würden. Ein Land, das viele Generationen lang verlassen und unfruchtbar war und das durch die Hand des Herrn Aqua und seiner Kinder wieder mit Leben erfüllt sein würde. Ich reiste den Großteil meiner Kinder und Jugendzeit. Ich habe kein Zuhause, keine nennenswerte Familie außerhalb Mythodeas. Ich bin vollkommen entwurzelt und dennoch vollkommen Zuhause." Ein weiterer Augenblick verstrich, in der der Graf sich nur auf das Feuer zu konzentrieren schien. "Wie steht es um Euch Kaldor? Ist Mythodea eine Aufgabe für Euch, die ihr gerne hinter Euch lassen wollt, um zurück in Eure Heimat zu reisen? Zieht es Euch zurück in die elterliche Burg, zu Freunden und Verwandten? Oder steht ihr mit beiden Beinen fest auf diesem Boden. Sagt, wo ist Eure Heimat?"
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Kaldor:
"Nun, eine elterliche Burg gibt es nicht, ich wurde im Tempel aufgezogen und kenne meine Eltern nicht. Wohl aber gibt es Menschen in meiner Heimat, dem Königreich Thalamea, weit hinter dem Ozean, die mir nahe stehen."
Kaldor griff nach einer Entenkeule und begutachtete sie ausgiebig. Er aß jedoch vorerst nicht davon.
"Wie ich bereits ausführte ist das Königreich Thalamea meine Heimat, zugleich ist es die Heimat von uns allen hier in Nordgard - nun bis auf sehr wenige Ausnahmen zumindest. Und unsere Heimat wird es auch ewig bleiben. Der Orden hat dort seine Wurzeln und nach den Göttern sind die Sturmfalken vor allem ihrem König verpflichtet."
Der Ordensmeister begann die Entenkeule zur Unterstreichung seiner Worte hin und her zu schwenken.
"Dies bedeutet aber mitnichten, dass wir diesen Kontinent nur als ein Aufgabe betrachten. Zweifellos begann unser Weg hier entsprechend, aber spätestens mit dem Erhalt unserer Komturei Nordgard ist die Verteidigung dieses Landes eine Frage der Ehre und der Pflicht geworden. Auch wenn Thalamea auf ewig unsere Heimat bleiben wird, so ist Nordgard vielen von uns ein Zuhause geworden. "
Die Entenkeule in Kaldors Hand verharrte jetzt bewegungslos.
"Aber genug davon. Ich sehe selbstredend die Intention hinter eurer Frage. Ich kann euch jedoch versichern, dass Zweifel an unserem Orden ob unseres "Heimatgefühles" absolut unbegründet sind. Nordgard ist als Teil der Besitzungen des Ordens unverrückbar in unseren Aufmerksamsbereich getreten. Als Komturei unseres Ordens ist Nordgard ein Bollwerk des Lichts. Und das Licht gebietet es uns die guten, unverkommenen Menschen ALLER Reiche zu schützen. Das heißt wir schützen auch jene, die sich den Elementen zugewandt haben. Natürlich nur solange die oben genannten Kriterien auch weiterhin auf sie zutreffen."
Der Paladin biss ein großes Stück aus der Entenkeule heraus und kaute es bedächtig. Er ließ sich Zeit.
"Mit klaren, direkten Worten also: Wir stehen treu und pflichtbewusst zu dem Reich und den Bürgern des Ostens. Und obgleich wir viele der hiesigen religiösen Praktiken absolut nicht gutheißen können, wird sich an unsrer Treue nichts ändern. Wir kennen unsere Pflicht und nehmen die Bürden die zu ihrer Erfüllung unabdinglich sind ohne zu zagen oder zaudern in Kauf."
Kaldor war im Verlauf des Gespräches immer ernster geworden.
"Leider kommen wir derzeit nicht umhin - und verzeiht das ich doch, entgegen eurer vorangegangenen Bemühungen diesbezüglich, auf das Reich zu sprechen komme - zu bemerken, dass es Menschen im Osten gibt die an uns zu zweifeln scheinen, die an unserer Ehre zu zweifeln scheinen. Dies besorgt uns außerordentlich. Ich meine wir sind es aus anderen, meist herrenlosen oder verwilderten Reichen gewohnt, dass der einfache Mensch zu Misstrauen und Missgunst neigt. Aber von einem tugendhaften Reich wie dem des Ostens hatte ich anderes erwartet. Höchst tragisch wie ich finde."
Kaldor sah dem Reichsgrafen in die Augen.
"Findet ihr es nicht auch überaus bedenklich das gerade jetzt der Zweifel Einzug zu halten scheint in dieses unser wohlgeschätztes Reich?"