​ [Die Große Fahrt] Auf offener See

  • [Die Große Fahrt] Auf offener See

    [spielt nach "Ein Fuchs geht an Bord"]


    Die „Geehrt sei Warahan“ war an diesem Tage als Galeere-vom-Dienst eingeteilt. Das erfahrene Schlachtenschiff mit erstklassiger und mustergültiger Mannschaft sicherte nun die Weizentransporter, welche endlich die Aufnahme der Passagiere abgeschossen hatten. Diese drehten behäbig den Bug Richtung offene See und ließen Valensdorf nun hinter sich.


    Dem Ausguck der „Warahan“ fiel sofort die Veränderung an dem verwegenen Schwesterschiff „Stein des Anstoßes“ ins Auge, welche die Bucht am anderen Ende sicherte.


    „Neue Flagge am Führungsschiff…“, schrie der Seemann hinunter und sofort drehten sich eine Handvoll Offiziere-auf-Wacht mit ihren Lederrollen und den darin befindlichen gläsernen Linsen in die angegebene Richtung. „Was sehen wir da, Sir? Eine winzig kleine schwarze-weiße Waage auf einem… Tischtuch? Neben dem imperialen Großbanner und der Axtfelser Flagge? Kann das sein, Sir?“, fragte einer der hochdekorierten Männer in tadelloser Seeuniform verwundert. „Ja, sieht so aus.“, antwortete ihm der Kapitän in ebensolchem schnieken Aufzug, mit poliertem Brustharnisch, doch die Schrammen von vergangenen Kämpfen waren dennoch erkennbar.


    „Also, wenn mich nicht täusche… hm… ein Banner der HEL? Bei dem Sauhauf…", dann hielt er inne. Er hüstelte verlegen. „Ich meinte... bei den schwierigen Kameraden da drüben?“


    +++


    Und wieder sprach HEL zu ihm. Oh, und in Gedanken gab er sich ihr hin. Alles würde er für seine Göttin tun. Beten, mehr beten. Kämpfen und endlich auch sterben. Alles. Dann hörte er, wie sie ihn rief. Sogar bei seinem Namen. „ES REICHT, LOTHAR. LOOOOTHAR… jetzt ist mal gut.“ Und er spürte, wie die Göttin ihn in die Seite knuffte und auf den Harnisch schlug. Das musste sein Glückstag…“Schluss jetzt“.


    Lothar schlug die Augen auf. Nix Göttin. Gänseblümchen hatte ihn aus seinen Träumen auf dem Heck der Galeere gerissen. „Lothar, es reicht. Alle beten seit einer Stunde…“.



    Der ankoragahnische HEL-Ritter sah sich um. Links standen verlegen einige auserlesene Passagiere, welche zwischenzeitlich auch eingetroffen waren, in seinem Rücken wusste er betend die hintere Geschützbesatzung. Rechts lag das Offizierskorps auf den Knien und vor ihm… ja mittschiffs kauerten 240 Männer in Verbeugung und Andacht und hofften, dass es bald vorbei sein würde.


    Der fromme Ritter lächelte milde. „Herr Schiffsführer, tun Sie nun weiter, was sie so tun… auf so einem großen… Boot.“

    Jasper Baard, Kapitän der „Stein des Anstoßes“ klappte der Mund auf und war im Begriff mit den Augen zu rollen… überlegte sich das aber im letzten Moment siedend heiß anders. „Herr Lothar Wolf von Waldburg, wir hatten einen… ähm… unglücklichen Start. Ich entschuldige mich. Gerne… ähm… dürfen wir Ihnen später das Schiff zeigen? Zuvor müssen wir hier tatsächlich… noch was arbeiten.“



    „Klar zu großer Fahrt“, blaffte er dann eine Leute an und die Mannschaft wurde lebendig. „Und… Enno“, rief er einen der Offiziere herbei. „Alles Gepäck der Herrschaften in meine Kajüte. Ich rücke mit euch zusammen.“


    Die Jungfer Astrid von Waldburg, nun weniger Gänseblümchen, ließ sich elegant, ganz Dame, von Enno Haite unter Deck begleiten und inspizierte zufrieden ihr „schönes Zimmer mit Aussicht“, wie sie später Lothar erzählte.


    Auf dem hinteren Deck wurde nun gearbeitet und der Fuchs, wie seine Freunde Lothar nannten, verstand irgendwie kein Wort, aber fasziniert schaute er zu, wie es auf der riesigen, mit Bronzeplatten beschlagene Galeere plötzlich betriebsam wurde.


    Klar zum Grossfall! Fertigmachen zum Halsen!“ brüllte einer der Vorgesetzten und schnell bekam er die Antwort

    Ist klar“. „Steuermann, Ruder nach lee.“ „Schothorn fällt“. „Rund achtern! “

    „Mitte Fahrwasser, auf Abstand.“ „Aye“


    „Oh, wir segeln ja“, meinte der Ritter verwundert, „Und ich dachte…“ Jasper lächelte und beendete den angefangenen Satz „…dass eine Galeere nur gerudert wird? Die Handelsschiffe im Tross sind eher langsam. Aber natürlich könnt ihr das gerne mal ansehen.“


    Sie nahmen einen Abgang auf das Mitteldeck und gingen auf dem schmalen Steg zwischen den bemannten Ruderbänken entlang. Jetzt konnte Lothar auch erkennen, dass auf den Hauptsegeln die imperialen Insignien, Axt, Amboss und Dreieck, aufgenäht waren. Und das Banner und die Flaggen wehten im nun auffrischenden Wind um die Wette. Wie fein, dass sein seit Beginn der Reise im Gepäck befindliches Altartuch einen schönen Platz dort oben gefunden hatte, dachte der Ritter demütig, aber HEL würde sie auch so sehen. Und verwundert schaute er auf die in regelmäßigen Abständen, verdeckt durch Verschläge, kleineren Torsionsgeschütze an der Reling. Was es hier nicht alles gab.


    Der Kapitän nickte einem der Seekrieger zu und sogleich ertönte ein durchdringendes Pfeifensignal.


    Hunderte Riemen wurden rauschend zu Wasser gelassen und auf weitere Signale wurde nun in langsamen Takt gerudert. Das schwere Schiff machte spürbar einen Ruck nach vorn. Zufrieden sah Lothar, dass die Mannschaft nur aus freien, bewaffneten Männern bestand. Nicht wie in den Seeräubergeschichten, die er als Kind gelesen hatte. Peitschen und Ketten gab es hier keine. Der Ritter schaute genau zu, wie das Rudern ablief. Den Abstand zum Vordermann, in welchem Bogen der Riemen bewegt wurde, wo man sich auf der Bank abstieß… als er meinte, es verstanden zu haben, begann der Von Waldburg den dunkeln Brustharnisch aus Frosttaler Stahl zu öffnen.


    „Hee, was tut ihr denn?“, fragte Jaspar entgeistert. „Lasst das doch.“ Auch die Mannschaft gaffte völlig erstaunt. Nach geübten Handgriffen hatte der Ritter den Panzer geöffnet, ließ ihn von den Armen gleiten und drückte ihn dem Kapitän in die Hand. „Haltet ihr das mal gerade? Sehr liebenswürdig, danke.“ Dann lächelte er einem der Seeleute zu. „Braver Mann, darf ich?“ Der Bursche, eher ein halber Pirat, konnte sich gar nicht vorstellen, dass er gemeint war und schaute sich um. Verblüfft nickte er dann aber und machte den Platz frei.


    Nun war Lothar nicht das Kraftpaket an sich, aber er hielt bei der ungewohnten Arbeit gut mit. Nach einiger Zeit setzte sich der Kapitän seufzend auf den Mittelsteg. Und auch Gänseblümchen, der es mittlerweile in der Kabine langweilig geworden war, setzte sich dazu. Nach einiger Zeit fragte Lothar den Mann neben ihm, ob er durchtauschen mochte. So rutschte Lothar auf den Platz des Mannes und sein Kamerad, der pausiert hatte, übernahm seinen ursprünglichen Platz.


    Nach einer Stunde gab Von Waldburg das Ruder wieder ab. „Danke für diese Gelegenheit zu beten, Kapitän Baard. Die Zeit reichte für drei Lobpreisungen“, meinte der fromme Ritter, als er den Harnisch wieder anlegte und den irritierten Blick der Mannschaft bemerkte. Der Fuchs lächelte. Dann rief er laut: „Für den Imperator!“ und aus hunderten Kehlen wurde ihm geantwortet „…und das Reich.“ Astrid schaut ihn an. „Bruderherz, bitte denke an das Phönixreich!“ „Ohja…Ex oriente“, rief er daraufhin. Und ein „Lux“ donnerte von den Ruderbänken und die Männer hatten ein Leuchten in den Augen.


    Jasper Baard, wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber auch er sah die Begeisterung seiner Männer. Er kannte sie gut. Seeleute… ja. Aber auch erprobte Enterer und Halsabschneider. Sie waren das beste Schiff des Imperiums und das wurde man nicht durch gutes Aussehen oder brave Manieren. Aber dieser Von Waldburg… ob die HEL jetzt wirklich ihre Hand über dieses Schiff hält? Dann ging ihm auf, wie sich das Wetter gebessert hatte, seit Lothar an Bord war…und das der Wind gerade so ideal wehte, dass selbst die Transportschiffe in ihrem Kielwasser gut voran kamen. Wie dem auch sei… einen frommen Ritter an Bord zu haben schien manchmal anstrengend, aber nicht von Nachteil zu sein und bei der Mannschaft hatte er sich mit seinem Einsatz nun Respekt verdient. Trotz der Beterei. Wie würde diese Reise weitergehen? Ihr Weg führte nun auf die offene See. Und dort hinter dem Horizont lag das Imperium von Ankoragahn, aber vielleicht auch fremde, unbekannte Länder… und vor ihnen wohl die Flotte des Phönixreiches auf Großer Fahrt.