Das Ende der Götterfahrt - Die 1. Lothar-Geschichte

  • Das Ende der Götterfahrt –

    Die Rückkehr des Lothar Wolf von Waldburg


    Das Land hatte sich verändert. Sein geliebtes Heimatland… AnkoraGahn. Sein Weg führte ihn endlich von Goldhafen zurück ins Kernland. Die Überfahrt von den Mittellanden war stürmisch gewesen, sodass das schwere Kriegspferd, das Packpferd wie auch der Reiter nun froh waren, den heimischen Pfad einschlagen zu können. Heim auf die Burg seiner Familie. Treue Tiere! Ach, so treu wie er…

    Und dabei war dieses Gelübde doch nur 12 Jahre gewesen. Zugegeben… manchmal schien diese Zeit kein Ende nehmen zu wollen. Nirgends fand er das, was er aus tiefster Seele suchte. Nirgends die Antworten auf seine brennenden Fragen. In keinem der fremden Gebete an fremde Götter, die er ausprobierte. Die fromme Neugierde hatte ihn fast um die halbe bekannte Welt getrieben.

    Besonders schlimm war es an der seeumtosten kleinen Burg an der Küste von Anglia in Inglaterra gewesen. Aber er fügte sich in sein Schicksal, nahm es an als Probe, welche ihm gestellt worden war. Bei Wind und Wetter betete er auf den weißen Klippen… und hielt wie aufgetragen Wacht.

    Schlimm empfand er auch die Zeit am Hofe des bretonischen Herzoges. Überall sinnliche Verlockungen von wohlgebauten Edeldamen. Oder lüsternen Zofen und Mägden. Doch auch diese Herausforderung meistere er, indem er stets zu Boden schaute. Oder auf das Heiligenbildchen, dass er für solche lästerlichen Bedrohungen seiner Keuschheit stets dabeihatte.

    Aber es gab auch kurze Jahre. Kriegsjahre. Feldzüge gegen die Finsternis in Krakant, Oder die Belagerung der Wüstenstadt in Torog Nai. Er war der erste im Kampf und der letzte auf dem Feld. Oder bei der Kreaturenjagd. Und es gab schöne Jahre… Studien von verschiedenen Heiligen Schriften in Tirrannonn... interessante, theologische Dispute. Aber diese Zeit war nun um.

    HEL hatte ihn stets beschützt. Sie stand immer hinter ihm, besonders auf dem Schlachtfeld spürte er ihre Nähe, doch die Totengöttin hatte andere Pläne ihm und wollte ihn nicht annehmen, so wild er auch kämpfte. Vielleicht wollte sie ihn auch einfach nicht. (sic!) *


    ***


    Die Türme der stolzen Burg derer von Waldburg kamen endlich in Sicht. Vor vielen Jahren lebte hier noch die große Familie derer von Wetter, doch nach deren Auswanderung nach Aeterna war das Lehen neu vergeben worden.

    Ein Knecht, welcher gerade den Innenhof fegte, erstarrte. Seine Augen wurden immer größer. Dann rutschte ihm der Besen aus der Hand. Ein Abbild ritt durch das Tor. Ein Ritter wie aus Abenteuergeschichten. So wie man sie den kleinen Kindern erzählte. Sichtlich edel und gut, ohne Fehl und Makel.

    Hell leuchtete der Wappenschild am Sattelbaum des Pferdes. Der Fuchs war zurück! Waffen und Rüstung schimmerten in fahlem Blauton. Blau wie das Blut des Reiters, Blau wie AnkoraGahn.


    „Herr, HERR, euer Sohn ist wieder da! Euer SOHN…“, schrie der Kerl nun laut und rasch liefen auch andere Bedienstete herbei, die den Ritter staunend anstarrten. Seine jüngste Schwester Astrid stand am Rand des Geschehens. Ihre traurigen Augen fielen Lothar sofort auf. Was war denn nur…?, fragte er sich.

    Auf einem Balkon des Bergfrieds flog eine Tür so stark auf, dass sie an die Außenmauer knallte. Ein alter Mann stand im Durchgang. Zwar vom Alter gebeugt, dennoch eine beeindruckende Persönlichkeit. Dieser trat vor die Brüstung und schaute erwartungsvoll. Dann konnte man die plötzliche Enttäuschung auf seinem Gesicht sehen. „Ach DER Sohn ist es. Ich hatte auf deinen Bruder Heiner gehofft, stattdessen ist es mein Traumtänzer. Und, Lothar? Jungfrauen gerettet, Drachen erschlagen und heilige Kelche in Wüstenstädten gefunden?“, fragte er griesgrämig aber ohne eine Antwort abzuwarten verlies Lothars Vater wieder den Balkon.

    Duldsam ertrug Lothar Wolf von Waldburg den Spott seines Vaters. Dieser hatte nie verstanden, um welch heilige Sache es ihm bei seiner Fahrt gegangen war. Unangenehm erinnerte er sich an den langvergangenen Streit im Vorfeld der Reise. Wilfried von Waldburg wollte, dass sein Sohn auf dem Kontinent Mitraspera an der Seite der Regentin des Ostreiches kämpfte und nicht Hirngespinsten hinterherlief.

    „Der Fuchs“, wie ihn seine Freunde nannten, stieg vom Kriegsross und drückte die Zügel einem der Burschen in Hand. Er würde heute Nacht für seinen Vater beten, für seinen sündigen Hochmut die Göttin HEL um Vergebung bitten. Lothar straffte die Schultern und entlud das Packpferd selber. Den Bediensteten war die Situation sichtlich unangenehm. Verlegen halfen sie ihm, denn sie mochten seine gerechte Art und hatten ebenfalls unter den immer häufigeren Wutausbrüchen des Greises arg zu leiden.


    ***


    Nachdem er sich den Staub der Reise abgewaschen hatte, zog er sich in seine Kammer zurück, sprach das Abendgebet und dankte den Göttern für die gute Reise. Irgendwann klopfte es an die Zimmertüre und ein Diener bat ihn zum Abendessen.

    Der Saal derer zu Waldburg war groß und erfurchteinflößend mit den vielen alten Rüstungen und edlen Wandteppichen, welche Jagd- oder Kriegsszenen zeigten.

    Sein Vater saß am Ende einer festlich geschmückten Tafel und die Dienerschaft wartete bereits, um das Essen aufzutragen. Lothar hatte einen feinen Tabart übergeworfen, dessen Viertel die Wappen Ankoragahns und des Fuchses zeigten. An der Türe passte ihn seine Schwester ab. Bei HEL sie war so groß geworden… „Bruder, wir müssen reden.“, flüstere sie ihm zu. Es ist so viel passiert…“

    „Was wird dahinten getuschelt?“, dröhnte der Alte, als er Lothar sah. „Setzt euch gefälligst.“

    Kaum hatten sich seine Kinder gesetzt, ging die Türe erneut auf.


    Jetzt rauschte eine Lothar fremde, doch wunderschöne, schwarzhaarige junge Frau, angetan mit einem ebenso schwarzen Kleid mit weißem Pelzkragen durch den Saal. Ein leichter Fliederduft zog sich durch den Raum… und Lothar vermeinte eine statische Aufladung in der Luft zu verspüren. Sie trat direkt zum alten Wilfried, hängte sich liebevoll an seinen Hals, küsste ihn auf die Wange und sprach dann mit wohlklingender Stimme: „Mein Schatz, möchtest du mir nicht deinen Sohn vorstellen?“

    Lothar war schon im Begriff, entrüstet aufzuspringen… als er wie im Albtraum hören musste, wie sein Vater mit harschen Worten über den plötzlichen Tod seiner Frau Anne, Lothars Mutter, sprach. Dann zeigte er auf die Dame in schwarz und stelle sie als Liliane, jetzt auch von Waldburg, vor, die er offenbar ohne große Feierlichkeiten vor einiger Zeit geheiratet hatte. Sie sei jetzt Lothars Stiefmutter…

    Der Fuchs war tief geschockt… sein Blick wanderte verständnislos von seinem Vater zu seiner jungen Schwester, welche mit den Schultern zuckte und ihn schmerzlich ansah. Dann schaute er zur Dame Liliane. Diese lächelte überheblich und zuckersüß mit knallrot geschminkten Lippen zurück. Dann zwinkerte sie!

    Verunsichert und verwirrt stand Lothar auf und sprach vor der Mahlzeit fromm das Dankgebet an dem sich Gänseblümchen fleißig beteiligte. So hatte er früher sein kleines Schwesterchen stets genannt. Doch mit großer Unzufriedenheit musste er sehen, das sowohl sein Vater, als auch seine neue Stiefmutter ignorant bereits zu tafeln begonnen hatten.

    Nach dem Essen fand er endlich Zeit und Gelegenheit, mit Astrid ausführlich zu sprechen, welche ihm die Einzelheiten erzählte, über das, was sich in der Familie in der Zeit seiner Götterfahrt abgespielt hat. Die Veränderung seines Vaters zum Schlechten, die plötzliche Krankheit und Tod seiner Mutter und seine gleichzeitig einhergehende Bekanntschaft mit Liliane.

  • Fortsetzung der Geschichte


    ***


    Später in der Nacht.

    Lothar war tief im Gebet versunken. Er kniete, wie es seine Art war, vor seiner Bettstatt auf dem er ein faltbares Heiligenbild der HEL platziert hatte. Die Fürbitten wiederholte er jetzt zum zwölften Male und er schloss auch seinen Vater und Dame Liliane ein, denn sie würden die Vergebung der Götter am meisten brauchen.

    Leise öffnete sich die Tür seiner Kammer und sanft, mit einem Klicken, wurde sie wieder ins Schloss geschoben. Lothar fragte sich einen Moment, ob es Gänseblümchen war, doch der feine Fliederduft beantwortete seine Frage, ohne das er sich umdrehen musste.

    Er kürzte das Gebet daraufhin, denn ein Ritter erhob sich, wenn eine Dame das Zimmer betrat.


    Als er sich umdrehte, stand Liliane vor ihm. Der dünne Stoff des Umhanges schmiegte sich an ihren aufregenden Körper und der weite Ausschnitt des Nachthemdes ließ keine Fragen offen. Lothar schaute artig und interessiert in ihre Augen. Diese funkelten dunkelbraun und verführerisch im schwachen Licht des romantischen Kaminfeuers und ihre Lippen glänzten sooo feucht… Mit einer katzenhaften Bewegung ließ sie den Umfang fallen und drückte sie sich schnurrend und sinnlich mit ihrer Oberweite an ihn.

    Der Fuchs schaute noch immer interessiert und… unverdorben… dann hob er den Umhang auf und legte ihn ihr wieder um die Schultern und das durchsichtige Nachthemd. „Liebe Stiefmutter, auf den Fluren ist es kalt und zugig. Wenn ihr ohne Schal rumlauft werdet ihr euch erkälten und einen Schnupfen holen. Das Schlafzimmer meines Vaters ist ein Stockwerk höher. Kann ja mal passieren in der Nacht, Mutter“, sprach Lothar arglos und voller Unschuld.


    FASSUNGSLOS legte Liliane den Kopf schief… das… war ihr noch nie passiert. Verdutzt schaute sie an sich hinunter. Stimmte etwas mit ihrem Busen nicht? Wieso…?


    Einen Wimpernschlag. Dann brach sich Zorn und Bosheit im Affekt auch schon bahn. „MUTTER?“, schrill hing diese Frage im Raum. „Wie kannst du nur…?“ Zutiefst beleidigt und blind vor Rachsucht… ja…eine Lektion und Respekt mussten her! Und ohne nachzudenken, wie klug das Nachfolgende war, drehte sich Liliane schon blitzartig im Kreise. Ein Knistern lag in der Luft und böse, schwarze Streifen aus Licht strömten aus ihren Fingerspitzen. Ihre Augen leuchteten jetzt tiefschwarz…. doch die plötzliche blaue Aura hatte sie nicht erwartet und einfach zu spät gesehen. Es tat einen mächtigen Schlag. Wo sie Lothar am Arm berührt hatte, leuchtete es ganz kurz blau auf. Und dann war Dunkelheit… und Stille. Entgeistert starrte Liliane auf ihre Hände.


    Nichts mehr.


    Sie horchte in sich hinein.


    Nichts mehr.


    Panisch riss sie die Augen auf. „Was in des Beelzebubs schrecklichem Namen hast du mir angetan?“, stieß sie hervor… rappelte sich auf und schob sich vorsichtig in Richtung Ausgang…

    „Ich?“, fragte der Fuchs unbedarft. „Nichts, liebe Mutter. Ach, weißt du, ich habe fliegende Teufel in den unterirdischen Katakomben der Wüstenstädte von Toroq Nai getötet, Ungeheuern in den kalten Gebirgsseen von Inglaterra die Köpfe abgeschlagen, stinkende Kreaturen in den Unrathalden der bretontischen Städte zerhackt… und hatte diverse andere Begegnungen, das führt jetzt aber zu weit.“, zählte Lothar arglos an den Fingern auf. „Wisst ihr, da war so ein schlimmer Schwarzmagier, den musste ich damals mit bloßen Händen umbringen. Dieser schlechte Mensch versuchte mich noch zu verwünschen… was in seinem Todeskampf jedoch schiefging. Seitdem sind alle Zauberer einen Tag lang unglücklich, wenn sie mich berühren. Sie schimpfen, ich wäre ein „Ableiter“. Was immer das sein soll. Morgen Abend geht es euch sicher wieder besser. Soll ich euch noch einen Tee für die Nacht bringen, liebe Mutter? Möchtet ihr, dass wir gemeinsam beten? Ihr müsst beten, ihr habt lästerlich geflucht…“


    Doch da war die bis auf die Knochen schockierte Liliane schon aus der Tür hinaus gerannt… als gelte es um ihr Leben.

    Und alles bis in die letzte Faser in ihr schrie: „…der ist ja verrückt…!“ (*)


    ***


    Noch in derselben Nacht betete Lothar voller Inbrunst für die Sünden seiner Stiefmutter.

    Der Fuchs war ziemlich naiv aber nicht dumm… diese Frau war und blieb gefährlich. Natürlich hätte er sie jetzt töten können. Aber dann wäre Vater sicher sehr unglücklich. Dabei war Vater selber so ein Problem mit seinem Fable für die schlimme alte Zeit… Ob es kein Zufall war, dass er gerade diese Frau erwählt hatte? Doch jetzt, wo er wieder da war, würde er ihn schon wieder auf den rechten Weg bringen.

    Das GUTE war wieder in Waldburg eingezogen. Außerdem würde er bald in Karan vor dem Hohen Rat treten. Es reichte ja nicht, Waldburg zu retten. Er würde AnkoraGahn retten. Es war ja so verdorben. Das versprach er HEL. Dann betete er weiter.