And where is the lamb that gave you your name?

  • [Wann: Winter, kurz nach der Jahreswende 12/13 nach Imperator Warahan]
    [Wo: Lehen Finsterwalde, Axtfels]

    and where is the lamb that gave you your name?


    Den schweren Löwenpelz lose um die Schultern gelegt stapfte Asunder durch den Schnee zum Tor, den Blick auf die kleine Gruppe fixiert, die zwischen den halb geöffneten Flügeln stand. Ein Reiter, zwei Begleiter. Allesamt in Schwarz gekleidet. Ihre Wachen, vier ihrer Soldaten. Lokir, der sie gerufen hatte.
    Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen, um sich die Schneeflocken aus den Wimpern zu wischen, die seit dem Morgen lautlos herabschwebten wie die Federn eines geschossenen Vogels.
    Selbst auf die Entfernung gefiel ihr die Haltung der Fremden nicht. Kaum jemand ritt so selbstsicher durch den Finsterwald, zu dieser Jahreszeit, in dieser Gegend, wenn er sie nicht kannte.
    Über die Distanz hinweg hörte sie vereinzelte Wortfetzen. „... Papiere ...verlange … sofort!“ Und auch, wenn der Wind vieles davontrug, missbilligte sie den Tonfall ganz und gar.


    Sie wandte sich kurz zu einem der Feuerkörbe um, fingerte nach einem glimmenden Stück Holz, um ihr Rauchkraut neu zu entzünden, und überbrückte schließlich zielstrebig die letzten Meter zwischen sich und den - ungebetenen - Gästen.
    „Gibts ein Problem?“ nuschelte sie, die schlanke, goldene Pfeife zwischen den Zähnen, und musterte die Neuankömmlinge von Kopf bis Fuß und ihre goldenen Augen wurden schmal.



    Dies war also die Höhle des Löwen. Camdon blickte von seinem Pferd herab auf die Gestalten, die ihm den Weg versperrten. Blasse Gesichter, misstrauische Augen. Viel Rüstung und noch mehr Waffen für ein Hinterwäldlerdorf mitten im Wald in den abgelegenen Bergen, in denen die wahren gefährlichen wilden Tiere hinter axtfelser Palisaden Schutz suchten...
    „Ich sage es noch einmal: diese Papiere sind legitim und ich verlange, dass Ihr mich passieren lasst. Sofort!“
    Der junge Mann, der sein Pferd am Zügel hielt, neigte herausfordernd den Kopf auf die Seite und bleckte die Zähne … wie ein Tier.
    „Darüber entscheidet die Ordensmeisterin.“
    Camdons Ungeduld hatte nun endgültig den Weg auf seine Züge gefunden. „Und wo bleibt sie?“ fauchte er, als eine raue Stimme ihn von der anderen Seite ansprach.
    „Gibts ein Problem?“
    Er wandte sich im Sattel um. Das war ... sie … also. „Fräulein Eisenwinter?“ fragte er und genoss das kurze Aufblitzen in ihren Augen.
    „Frau“, betonte sie, „Oder Paladin. Wie es Euch beliebt.“
    Er nickte. „Ich denke, das gehört Euch.“ Er warf ihr einen toten Vogel vor die Füße. Keine Taube. Einen Raben. Mit einer versiegelten Nachricht am Bein.
    „Ein Warnung, schätze ich. … Wollt Ihr es nicht lesen?“
    Sie musterte ihn, ihre Mimik verriet nichts von dem, was sie vielleicht denken mochte, und doch blieben ihre hellen Augen auf ihm ruhen. Auch, als sie sich bückte und das Tier aus dem Schnee hob.
    „Nicht nötig“, erwiderte sie schließlich und drückte das Bündel aus schwarzen Federn einer der Wachen in die Hand. „Steigt ab und folgt mir.“



    Er brauchte länger, als sie erwartet hatte. Der schwere Pelz hing bereits neben dem Kamin, als er das Zimmer betrat. Außer der Paladin war niemand zu sehen und so befahl er seinen Begleitern an der Tür Posten zu beziehen, während er, auf seinen Stock gestützt, den langen Raum durchmaß, an dessen Ende vor dem Schein des Feuers die Paladin stand. Ohne die Rüstung, die sie sonst immer zu tragen pflegte – nicht einmal ihr Kettenhemd trug sie über der makellosen, langen, dunkelblauen Tunika. Er hatte sie wohl wirklich schutzlos erwischt. Gut.
    Sie beobachtete jeden seiner Schritte und er war sich sicher, dass sie versuchte zu verstehen, was sie nicht verstehen konnte. Er lächelte.
    Sie wies auf die zwei Stühle, die sich am Ende der Tafel gegenüber standen und schnippte Asche in die Flammen, ohne jedoch selbst Anstalten zu machen, Platz zu nehmen.
    Camdon lehnte seinen Stock an den Tisch und schob sich, umständlich, den Stuhl zurecht, bevor er sich setzte.
    „Ihr habt das noch nicht lang“, stellte die Paladin nüchtern fest, während sie Rauch ausatmete, und nickte in seine Richtung, „Sommerfeldzug? Khelriothar?“
    „Ich … nein. Ein Reitunfall“, entgegnete er mit zusammengezogenen Brauen und zog die Papiere aus der Tasche, die er bereits in Bärheim in den Händen gehabt hatte – und andere, „Nichts, was hier etwas zur Sache tut. Immerhin bin ich … wegen Euch hier. Doch verzeiht meine Unzulänglichkeit. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Jonathan Camdon. Offizier und Kommisar des Imperialen Geheimdienstes. Skorpion.“


    Sie antwortete nicht, griff statt dessen nach einer Karaffe auf dem Kaminsims und zwei Bechern, die sie vor sich auf den Tisch stellte und vollschenkte. Ohne zu zögern griff sie nach einem und leerte ihn, ohne Trinkspruch oder Schwur auf irgendeinen Gott oder ohne auch nur darauf zu warten, ob ihr Gegenüber ebenfalls seinen Becher nahm.
    „Und was kann mein Orden für das Imperium tun?“ fragte sie schließlich zwischen zwei weiteren rauchschweren Zügen.
    „Euer Orden?“ Camdon lachte, „Fräulein Asunder, es geht mir nicht um Euren … Orden. Nicht direkt zumindest.“ Er legte die Papiere vor ihr auf das zerschrammte Holz.
    Sie fuhr mit den Fingern darüber, studierte sie. Noch immer keine Regung, nur ein Zucken ihrer Mundwinkel, das ein Lächeln hätte sein können. Mit auf den Tisch gestützten Händen setzte sie sich schließlich auf den Stuhl ihm gegenüber. „Nun, ich wiederhole mich ungern. Was kann mein Orden für das Imperium tun?“
    Camdon schmunzelte. „Ich denke, Ihr habt die Situation verstanden?“
    „Verzeiht mir, wenn ich zögere. Ich sehe keine Armee vor meiner Tür und keine imperialen Gardisten, außer denen, die sich, wie üblich, im Gasthaus an der Straße volllaufen lassen, auf meinem Land. Ich höre meine Soldaten nicht kämpfen und auch ich sitze hier und frage Euch zum dritten Mal: was kann mein Orden für das Imperium tun?!“


    Sie beugte sich gerade vor, um erneut zu der Karaffe und ihrem Becher zu greifen, als das Klicken einer gespannten Armbrust ziemlich nah an ihrem Kopf sie - beinahe - zusammenzucken ließ. Einer von Camdons Begleitern, fast so lautlos wie einer ihrer eigenen Schatten, stand an ihrer Seite, die Spitze des Metallbolzens kühl an ihrer Schläfe.
    „Wir wissen, wer Ihr seid, Asunder Eisenwinter. Und wir wissen Eure Dienste für das Imperium zu schätzen, sonst wärt Ihr nicht hier. Und sonst wäre ich nicht hier. Finsterwalde zu säubern ist nicht jedem gelungen und könnte ich auch nur ansatzweise Respekt für Abschaum Euresgleichen aufbringen … Ihr hättet ihn.“ Er seufzte und warf ein weiteres Dokument auf den Tisch. „Lest es!“ Es war ein klarer Befehl.
    Asunder rollte die Augen in Richtung des Armbrustschützen, „Rutsch jetzt bloß nicht ab“, beugte sich vor und griff nach dem Pergament.


    Kurze Momente vollkommener Stille. Dann hob sie den Blick und fixierte ihn. „Und wenn ich ablehne?“ „Denkt an Eure Familie. Denkt an die Steckbriefe. Lügen aus Waldwacht, sicherlich, so lange wir alle wollen, dass es Lügen bleiben. Denkt an Eure Freunde. Bärheim zum Beispiel.“
    Asunder lehnte sich zurück, der Armbrustschütze folgte jeder ihrer Bewegungen.
    „Und der Graf?“
    Cambel schnaubte. „Wir dienen dem Hohen Rat von Ankoragahn, nicht dem Grafen. Ihr werdet sicher eine Lösung finden. Dessen bin ich mir sicher.“
    Der Skorpion erhob sich so umständlich, wie er sich gesetzt hatte und schob die Papiere zusammen, dann griff er zu seinem Stock. Der silberne Wolfskopf schien im Flackern des Kaminfeuers hämisch zu grinsen.
    „Mitten im kalten Winter ...“, murmelte die Paladin, und Camdon, der sich bereits zum Gehen gewandt hatte, warf einen Blick über die Schulter. „Bitte?“ Doch sie winkte nur ab, hob nicht ein mal den Blick, die Hände ineinander verschränkt und das Kinn darauf gestützt. „Sichere Reise“, wünschte sie und er hob die Hand an sein Barett, und als er den Raum verlassen hatte, schlossen sich auch seine beiden Schatten an.



    Asunder blieb allein im Halbdunkel zurück. Ein, zwei, vielleicht drei Atemzüge, dann erhob sie sich von ihrem Platz. Ging einige Schritte. Kehrte zum Tisch zurück. Fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Trat vor den Tisch, dass die Becher darauf klirrten. „VERDAMMTE SCHEISSE!“ Ja, das war es wohl... zweifelsohne. Sie biss sich auf die Unterlippe und suchte Halt an der Lehne ihres Stuhles. Es dauerte länger als sonst, viel länger, bis sie ansatzweise das wiederfand, was sie in diesem Moment Fassung nennen mochte. Dann straffte sie sich griff nach ihrem Mantel und verließ den Raum. Kein Wort. Zu niemandem. Sie würde das regeln. Allein.

    Forgive me, my dearest, I cannot stay
    He cut out my tongue, there is nothing to say.


    Love me, oh Lord, he threw me away.
    He laughed at my sins,in his arms I must stay.


    You wrote, I am broke, please send for me.
    But I am broken too, and spoken for, do not tempt me.


    Everyone's a whore
    We just sell different parts of ourselves.





    [T.Shelby -PB]