Mit Federstrich und Schwertesstich

  • Oswin Kenschke

    Vorwort:


    In der folgenden Geschichte werde ich, Oswin Kenschke, erzählen welche
    Geschehnisse mich dazu brachten, meinem sicheren und stabilen Leben zu
    entfliehen, um mein Glück in den abtrünnigen Klauen der weiten Welt zu
    suchen. So schreibe ich nun im Vollbesitz meiner geistigen und
    körperlichen Kräfte auf, was mich zu dem Mann machte, der ich heute bin
    und hoffentlich bis zu meinem Tode sein werde.


    ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


    Mit Schwertesstich und Federstrich

    14ter Pflugzeit, 2525


    Mein Name ist Oswin Kenschke, ich bin 17 Jahre alt und aufgewachsen in
    Bögenhafen. Geboren bin ich im Jahre 2508 nach Sigmar, als zweiter Sohn
    des dort bekannten Händlers, Theodor Kenschke.

    Mein Vater war in diesen Zeiten auch am Hofe Bögenhafens ein angesehener
    Mann, da er als persönlicher Pelzhändler und Berater des Grafen von
    Saponatheim in Bögenhafen, angestellt war. Meine Mutter Emma Kenschke,
    geborene Jung, zog aus dem Stirland nach Bögenhafen, um dort als
    Schreiberin zu arbeiten und gelang so an meinen Vater. Er selbst kommt
    aus Tilea. Zudem war meine Großmutter mütterlicherseits eine Bretonin,
    so lernte meine Mutter neben Reikspiel, auch Bretonisch und deshalb
    unterrichtete sie mich ab meinem achten Lebensjahr in der bretonischen
    Sprache und mein Vater einige Jahre später in der tileanischen. Sodass
    ich bereits im Alter von neun Jahren drei Sprachen beherrschte.


    Als ich zehn war, ließ ich mich von meiner Mutter zum Schreiber
    ausbilden. Es war schon immer ihr Wunsch gewesen, dass ich einmal ihr
    Handwerk vertrete, auch weil mein großer Bruder Friedhelm eher Anstalten
    machte später in den Beruf des Schmiedes einzutreten. Nach drei Jahren
    beherrschte ich die klassische Sprache fließend und wusste um alle
    Fähigkeiten und Qualitäten, die man als Schreiber aufbringen musste,
    damit beendete ich meine Ausbildung. Doch als ich gerade dachte, dass
    Ranald seine Münzen nur für mich werfen würde, geschah etwas
    grauenvolles.


    Ein Krieg brach aus - Der Sturm des Chaos!


    Nicht Mann für Mann, sondern Bataillon für Bataillon rafften die dunklen
    Schlächter in dieser Zeit dahin. Obgleich man durchaus sagen kann, dass
    wir einige Male eine Menge Glück hatten, blieb auch meine Familie von
    den Geschehnissen nicht ungezeichnet. Mein Vater konnte seinen Kontakt
    zum Fürstenhaus nutzen, um für keine der Schlachten eingezogen zu
    werden, so auch meine Mutter und ich. Meinen Bruder, allerdings,
    versuchte mein Vater vergeblich in die Belegschaft des Adelshauses zu
    integrieren, vor allem aber, weil er es selbst nicht wollte, da er dafür
    seine Anstellung als Schmied hätte beenden müssen. Mein Vater tat
    alles, um Friedhelm umzustimmen, doch sein Entschluss stand fest. Meine
    Mutter sagte ihm noch, dass seine Tüchtigkeit gut für ihn sei, bei
    seinem Sturkopf würde er sie bald mehr als brauchen.


    Das letzte Mal verabschiedete ich mich von meinem Bruder, zwölf Tage
    bevor er in die Schlacht bei Dunkelberg zog. Ich werde niemals die
    letzten Worte vergessen, die er an mich richtete. Als ich ihn fragte
    »Glaubst du, dass du das richtige tust?«, sagte er »Oswin, du weißt
    doch, Schmerz ist vergänglich, doch Ehre währt ewig.
    «
    Später berichtete man nur, dass es keine Überlebenden gab, deshalb
    wurden auch keine Opfer namentlich verlautbart. Mein Bruder muss also
    nicht unbedingt den Tod in Mitten der Chaossoldaten gefunden haben. Aber
    vielleicht ist es auch einfach nur mein Wunsch, dass Friedhelm es
    überlebt habe, der mich dieses denken macht.


    Als ich dann vierzehn war und mein erstes Jahr als Schreiber am Hofe
    hinter mir lag, hatte ich auch schon einen gewissen Bekanntheitsgrad
    beim Bögenhafener Adel erreicht. Im Sommer jenen Jahres hieß es in
    Bögenhafen dann endlich, dass das Chaos wieder unter der Kontrolle des
    Imperiums sei, was zunächst für großes Aufatmen sorgte. Dass diese
    Behauptung aber entweder zu Propagandazwecken diente oder lediglich ein
    törichter Irrtum der Obrigkeit war, sollte sich noch heraus stellen.
    Dennoch brachte es mich zum Nachdenken, ob ich wohl für immer in meiner
    Heimat bleiben würde oder doch einmal eine ferne Stadt besuchen kann, in
    der es andere Speisen gibt, andere Lehren und ganz andere Menschen. Für
    den Anfang reiche mir aber auch eine sichere Stadt in der es mal ein
    Paar neue Gesichter zu sehen gäbe, dachte ich mir und schon bald zog es
    mich nach Altdorf.


    Die größte Stadt der Alten Welt, nördlich von Bögenhafen, sei der
    Mittelpunkt unseres Imperiums, hieß es immer. Es dauerte nicht lange bis
    ich mit meinen Eltern vereinbaren konnte, dass ich mit dem nächsten
    Handelszug meines Vaters nach Altdorf aufbrechen konnte. Dort arbeitete
    ich dann für den angesehenen Altdorfer Arzt Doktor Balko Niederstedt,
    der, wie mir Graf Leopold von Saponatheim anvertraute, einen
    sprachgelehrten Schreiber für seine Praxis suchte. Mit einem
    Empfehlungsschreiben des Grafen stellte ich mich dann bei Herrn
    Niederstedt vor und arbeitete ab dann in seiner Praxis. Über diese Zeit
    archivierte ich jeden Patienten, der von Doktor Niederstedt behandelt
    worden ist. Ich entwickelte mich zu einer wichtigen Hilfe für ihn und
    unsere Zusammenarbeit zu einer wirklich guten Freundschaft. Ich fühlte
    mich im Beruf des Protokollanten für einen Arzt wie Herrn Niederstedt
    sehr gut aufgehoben, zumal ich mir öfters den ein oder anderen Kniff im
    Behandeln von Verletzen aneignen konnte und ich jeden Tag Menschen
    kennen lernte, die mir ein anderes Schicksal zu berichten hatten.


    Nach einiger Zeit, im Herbst 2524, die Chaostruppen waren schon weit
    übers Nordland hinaus vorgedrungen, öffnete ich wie jeden Tag früh am
    morgen die Praxis, um schon mal die Akten vom Vortag zu ordnen. Eine
    Stunde später kam auch Balko in die Praxis und fing an das
    Behandlungszimmer vorzubereiten. Normalerweise behandelte er Kranke, die
    aus Häusern des Wohlstandes kamen und einen verletzten Bettler schickte
    er eher weg, bevor er ihm kostenlos die Wunden verband. Verständlich,
    auch er musste sehen wie er sein täglich Brot bezahlte und auch mich
    entlohnte. Doch an diesem einen Tag kam ein Mann in die Praxis, der
    milde gesagt abgerissen aussah, er mag einmal eine ordentliche Kleidung
    getragen haben, aber selbst wenn, lag das einige Wochen oder Monate
    zurück. Seine Leinenhose war mehrfach eingerissen und sein Hemd mit Deck
    und Blut getränkt, seine Haare waren zerzaust und unrasiert und seine
    Hüfte war von einer klaffenden Wunde gezeichnet, als hätte eine
    blutrünstige Grünhaut einen starken Hieb an ihm gesetzt. Doch als eben
    dieser Mann die Tür des Behandlungszimmers öffnete und mir und dem
    Doktor gegenüber stand, glaubte ich nicht was geschah. Balko legte sein
    Klemmbrett nieder und fiel ihm ohne zu zögern um den Hals. Mit
    geschwächter Stimme sprach der vermeintliche Fremde langsam
    »Balko, es tut so gut dich wieder zu sehen.« Der Doktor erwiderte
    »Was hast du so lange gebraucht, zurück zu kommen?« Dann realisierte er
    die blutige Wunde in seinem Leib und fügte hinzu »Du wurdest wohl ein
    wenig aufgehalten, wie?
    « Als wäre der Mann schon öfters in diesem Raum
    gewesen, schleppte er sich auf die Krankenliege und sagte »Genau,
    ich hatte mich etwas fest gequatscht, mit einem Troll. Es ging darum,
    dass er mir ein Rezept zur Zubereitung meines Fleisches beibringen
    wollte und ich ihm daraufhin half seine Höhle mit seinen Eingeweiden zu
    dekorieren.
    « Der Doktor entgegnete nur ein Lächeln, woraufhin er
    anfing die Wunden des Mannes zu versorgen, dann brachte er ihn in den
    Waschraum und gab ihm frische Kleidung aus dem Schrank für
    Patientenkittel.


    Später erklärte mir Balko dann, dass der Mann Godwin Wartstein hieß und
    vor vier Jahren mit ihm in einer Karawane von knapp hundert Mann von
    Nuln nach Altdorf reiste. Einige Meilen bevor sie die Stadt erreichten
    wurden sie von einem guten Dutzend Skaven angegriffen. Die gesamte
    Karawane wurde gemordet und geplündert. Auch Balko wurde beinahe von
    einer Ratte erwischt, aber als diese gerade versuchte ihm das Licht aus
    den Augen zu löschen, kam Godwin dazu und streckte den Skaven nieder.
    Mit viel Mühe konnten die beiden dann nach Altdorf flüchten.

  • Diese Geschichte fesselte mich so sehr, dass ich mich am Tag darauf nach
    getaner Arbeit in meiner Stammtaverne, zum besoffenen Gaul, mit Herrn
    Wartstein traf, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Denn ich wollte
    wissen wie dieser Mann dazu kommt, freiwillig mit den gefährlichsten
    Kreaturen des Chaos zu ringen, wenn er genauso gut einen sicheren und
    anständigen Beruf hätte bekommen können. Man muss nun sagen, dass Godwin
    bereits den dritten Krug vor sich stehen hatte, als ich am Abend in die
    Kneipe eintrat, jedoch schien er relativ trinkfest und somit noch bei
    Verstand gewesen zu sein, als er anfing sich mit mir zu unterhalten.
    Nach einiger Zeit, ich hatte mir auch ein Feierabendbier bestellt, waren
    wir in eine Art Redefluss übergegangen und ich fragte ihn schließlich,
    weshalb er diese großen Gefahren auf sich nahm. Seine Antwort fiel alles
    andere als prägnant aus. Man merkte er war kein Mann großer Worte,
    dafür hörte er sich ehrlich an und ich hatte nicht das Gefühl, dass er
    mir einen Bären aufbände. Nach dem dritten Bier wurde mir schon etwas
    träger, aber ich war keineswegs gelangweilt. Doch jedes mal, wenn ich
    gedanklich aus dem Gespräch glitt merkte ich, dass ich mich langsam auf
    den Weg nach Hause machen sollte. Aber ich stand nicht auf. Ich blieb
    dort, Stunde um Stunde und lauschte gebannt den Worten, des mittlerweile
    angetrunkenen Godwins.


    Er erzählte mir vor allem von den fantastischen Gebäuden, Menschen und
    Landschaften, eine wunderbarer als die andere. Auch erzählte er mir von
    den Erlebnissen und Schätzen, die ihm das Leben als Reisender bot. Es
    packte mich von der ersten Sekunde an mehr als je irgendeine andere
    Geschichte zuvor. Ich saugte jede Erzählung dieses Mannes auf wie ein
    Schwamm, als wäre es das erste mal gewesen, dass mir jemand was erzählt.
    Er berichtete mir von den reißenden Medusakaskaden in Tilea, die einem
    zwölfhundert Fuß hohen Berg entspringen und dann in ein hell
    erleuchtetes Tal hinunter stürzen. Auch erzählte er wie er im dunklen
    Lorenwald, wo die Elfen leben, zusammen mit knapp zwei Dutzend Gefährten
    die Mammutbäume erkundete. Laut Godwin brauchten sie fast zwanzig
    Männer um ein solches Exemplar zu umringen. Und er beschrieb mit den
    prunkvollen Grungnitempel am Weltenrand, der von den Zwergen direkt in
    den Berg geschlagen worden ist. Er hatte wirklich eine Menge
    Geschichten, teilweise waren sie auch ein wenig hanebüchen, aber ich
    dachte mir einfach, dass sich niemand eine solche Geschichte ausdenken
    konnte und so nahm ich alles was er sagte für bare Münze. Jedoch wurde
    es spät und da ich am nächsten Tag zur Arbeit musste, verabschiedete ich
    mich so gegen drei Uhr von Godwin.


    Ich fühlte mich als wäre ich noch nie so schrecklich müde gewesen, umso
    wunderlicher war es, dass ich zu Hause trotzdem kein Auge zu bekam. Mein
    Kopf rauchte nur so, vor Gedanken. Eine weitere Stunde später aber,
    schlief ich dann doch ein. Völlig übermüdet erschien ich am nächsten
    Morgen bei der Arbeit und bereitete wie immer alles vor. In den fast
    zwei Jahren, in denen ich mit Balko zusammen gearbeitet hatte, geschah
    es nie, dass er sich verspätete, auch das schätzte ich sehr an ihm. Umso
    besorgter war ich, als er gegen Mittag immer noch nicht erschienen war
    und das obwohl schon die ersten Patienten im Warteraum saßen. Als der
    Tag sich langsam neigte, blieb mir irgendwann keine andere Wahl als
    alle, die in der Praxis auf den Doktor warteten, wieder nach Hause zu
    schicken. Von den Patienten konnte ich mir so einiges anhören, aber mir
    waren die Hände gebunden, ich hätte sie wohl schlecht selbst behandeln
    können. Es war mir eigentlich auch egal, denn ich hatte ein deutlich
    größeres Problem. Den ganzen Tag hatte ich Balko noch nicht gesehen.
    Also schloss ich die Praxis und suchte sein Haus auf, tatsächlich war es
    eine ganze Ecke von der Praxis entfernt.


    Doch als ich ankam standen drei Altdorfer Wachen vor der offenen Tür des
    Hauses. Ich fragte sie aufgebracht »Was bitte ist hier geschehen?«
    und deutete dabei auf den Hauseingang. Daraufhin trat eine vierte
    Wache, die wohl ein etwas höher gestellter Kommandant war, heran und
    antwortete »Wir sind hier, um diesen Fall zu untersuchen. Wer seit ihr?«
    In dem Moment schwante mit übles und ohne zu antworten ließ ich von dem
    Mann ab und stürmte durch den geöffneten Eingang und durch den Hausflur
    zu Balkos Schlafzimmertür. Ich öffnete die Tür und als ich den Raum
    betrat, brach meine Welt zusammen. Ein lebloser Körper, der mal Balko
    war, lag in seinem Bett, auf einem blutgetränkten Laken und mit
    aufgeschnittener Kehle. Ich merkte nicht, dass die Wache mir hinterher
    gerannt war und sie mich nun versuchte aus dem Raum zu zerren.
    Schluchzen und Weinen war alles wozu ich noch im Stande gewesen bin.
    Unten im Flur versuchte man mich dann zu beruhigen und brachte mich
    schließlich nach Hause. Noch völlig unter Schock legte ich mich in mein
    Bett, um mir die zweite Nacht um die Ohren zu schlagen. Eine Mischung
    aus Fassungslosigkeit, Wut und Verzweiflung machte sich zunehmend in mir
    breit. So blieb ich zwei Tage in meinem Haus, ich verließ es nur, um
    etwas zu essen und zu trinken. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte,
    erkundigte ich mich dann, was genau geschehen war, doch man sagte mir
    nur, dass Balko wohl von einem Assassinen ermordet worden ist, wer den
    Auftrag dazu gab, fanden sie aber nicht heraus.

    Auch das Gasthaus, in dem Godwin ein Zimmer gemietet hatte suchte ich
    auf, um nochmal mit ihm zu sprechen. Doch die Frau am Eingang verriet
    mir, dass er sein Zimmer schon am Morgen vor dem Mord geräumt hatte, da
    er umgehend wieder aufbrechen musste. Ansonsten gab es niemanden den ich
    dazu hätte befragen können. Balkos Haus wurde später von der Altdorfer
    Wache beschlagnahmt, seine Praxis jedoch ging in meinen Besitz über.


    Eineinhalb Wochen später war ich immer noch schwer von meinem Verlust
    getroffen. Doch dann fing ich an zu überlegen, ob die jüngsten
    Ereignisse nicht auch eine Chance für mich bieten könnten. Nachdem ich
    einige Zeit überlegt hatte fasste ich den Entschluss aus Altdorf zu
    verschwinden. Für mein kleines Häuschen fand ich sehr schnell einen
    Käufer, ebenso für die Praxis, schließlich bot ich beides für weniger
    als einen Spottpreis an. Von dem Erlös besorgte ich mir dann reisefeste
    Ausrüstung, einen Rucksack, sowie einen Kompass, einige Karten und ein
    stattliches Reitpferd.

    Doch nachdem der Käufer die Schlüssel erhalten hatte, schaute ich mich
    noch ein aller letztes mal in Balkos Büro um. Ich wollte nur einmal
    nachsehen, ob dort noch irgendetwas herumlag, was bei mir vielleicht
    besser aufgehoben wäre, als beim Käufer des Hauses. Zunächst fand ich
    nur etliche Unterlagen und Verträge von Patienten, doch nach einigem
    Suchen entdeckte ich eine Pistole, die wohl mit zwei Metallhalterungen
    unter dem Schreibtisch befestigt wurde. Nach einigem willkürlichen
    Gerüttel an der sonderbaren Befestigung, fand ich den Trick heraus.
    Scheinbar musste man die Pistole vorsichtig und gekonnt in einer
    bestimmten Richtung herausdrehen. Doch als ich Balkos Waffe endlich in
    den Händen hielt zeigte sich ihr wahrer Zweck. Eine Holzplatte, die wohl
    bis dahin von der geheimen Anbringung gehalten wurde, fiel aus der
    Unterseite der Tischplatte und hinterher ein dünner Stapel mit
    zusammengehefteten Papieren. Im Gegensatz zu den Patientenunterlagen
    waren diese Blätter sehr sauber, aus dickem Papier und ohne einen Knick.
    Also legte ich sowohl Pistole, als auch Papiere auf den Schreibtisch
    und begann damit die vorliegenden Blätter zu lesen. Mich zu fragen, ob
    mein Handeln gegen die unsere Gesetzte verstieße oder ob es eventuell
    moralisch verwerflich wäre, war das letzte, was mir in den Sinn gekommen
    wäre. Fast wie apathisch ging ich Seite für Seite durch. Schließlich
    fühlte ich mich, als würde alles um mich herum düster und schwer werden,
    als ich erkannte was für Papiere dort vor mir lagen.


    Es war ein Versicherungsvertrag!

  • Selbstverständlich handelte es sich dabei nicht um eine Versicherung für
    Waren, Grund oder Vieh. Die Gilde mit der sich Balko scheinbar
    eingelassen hatte, nannte sich 'Lamina Coronae', was Klassisch war und
    so viel bedeutete wie 'Die Klinge der Krone', wobei niemand wusste, ob
    mit 'Krone' wohl die Goldmünze oder eher der Adel gemeint war. Ich
    kannte dieses Unternehmen nur zu gut, da mir mein Vater früher vieles
    über ihre Machenschaften und über ihren zwielichtigen Gildenführer
    berichtet hatte. Eben dieses Unternehmenskonzept gab es mehrfach und in
    verschiedenen Variationen in der Alten Welt.


    Um versichert zu sein zahlte man der Gilde alle sechs Monate eine Summe
    seiner Wahl, jedoch mindestens 100 Goldkronen und auch immer nur ein
    Vielfaches von 100 Goldkronen. Der Versicherte war dann durch die
    'Mitarbeiter' der Versicherung vor Morden oder Anschlägen in Sicherheit.
    Wenn in der Zukunft aber jemand wollen würde, dass dem Versicherten ein
    kleiner Unfall zustoßen sollte, so erklärte es mir mein Vater, zahlte
    er der Versicherung eine Summe, wieder diskret und wieder nach eigener
    Wahl. Wenn der so gezahlte Betrag weniger als zehnmal so groß war, wie
    die Zahlung des Versicherten, behielt die Gilde das Geld ein und
    schützte ihn weiterhin. Entsprach der Betrag aber mindestens dem
    zehnfachen des Versicherungsgeldes, ermordeten die 'Mitarbeiter' ihren
    Klienten umgehend


    Es mag makaber klingen, doch so war es bei den Versicherungen üblich.
    Bei einem solch hohen Einsatz, der dort versichert wurde, war es
    selbstverständlich, dass sich die Gilden stets größter Geheimhaltung
    verpflichteten, vor allem was die Höhe der Versicherungsbeträge betraf.
    Zudem galt jemand, der seine Versicherungsbeträge nicht mehr bezahlte
    oder seinen Vertrag kündigte, von da an nicht mehr als relevant, er
    wurde von der Versicherung also weder beschützt, noch eliminiert. Dieses
    waren ursprünglich für alle Versicherungen gültige Auflagen, doch
    Sigmar weiß, dass die Alte Welt so sehr ein Ort der Unkorrumpierbarkeit
    und Eintracht ist, wie Shallya eine blutrünstige Barbarin oder Verena
    eine naive, ungerechte Schwachsinnige.


    Arrhenius Brauer, der Gildenmeister der 'Lamina Coronae' schien die
    Grundsätze des Versicherungsgeschäftes wohl nicht für allgemein gültig
    zu halten. Wie mein Vater mir einige Male berichtete, hatte er seinen
    Klienten, die ihren Vertrag aufkündigen wollten, wohl gesagt, dass er
    ihnen davon abrate, da es häufig dazu käme, dass ein Versicherungsbetrag
    kurz vor dem Auslaufen des Vertrages bezahlt werden würde, damit sie
    ihre Kündigung aus Angst zurückziehen.

    War es möglich, dass mein bester Freund einem solch widerwärtigen
    Gaunerspiel zum Opfer gefallen war? Ich blätterte weiter, bis auf die
    letzte Seite und fand dort ein Schreiben von Balko an die Versicherung,
    in dem er erklärte, dass sein Vertrag aufzukündigen sei, seine Gründe
    dafür listete er im folgenden noch ausgiebig auf. Doch dann fiel mir
    etwas merkwürdiges auf, denn weshalb sollte ein Brief für die
    Versicherung noch bei Balko in der Praxis liegen? Hätte er ihn noch gar
    nicht abgeschickt, wäre er wohl kaum mit den anderen Papieren
    eingeheftet worden. Schließlich bemerkte ich, dass es wohl eine
    Rücksendung gewesen sein muss, denn am unteren Rand des Blattes war mit
    purpurner Tinte, in kleinen Lettern geschrieben »Wir raten euch
    eure Kündigung zu überdenken!
    « Ich musste mich an der Schreibtischkante festhalten,
    um nicht zusammenzuknicken. In mir puzzelte sich ein Bild zusammen. Arrhenius
    musste den Mordauftrag für Balko gegeben haben. Er wollte seinen Vertrag
    beenden und Arrhenius statuierte ein Exempel durch diesen
    widerwärtigen, ruchlosen Mord. Die Papiere und die Pistole verschwanden
    in meinem Rucksack. Ich verließ die Praxis, schloss die Tür ein letztes
    Mal ab und legte den Schlüssel, wie besprochen unter einen Stein, der
    vor dem Eingang lag.


    Dann lief ich los, es war bereits dunkel, aber das störte mich nicht. In
    mir staute sich meine Wut und ich wurde immer schneller, bis ich nach
    einer guten halben Stunde dann beim Versicherungsgebäude der 'Lamina
    Coronae' ankam. Dort klopfte ich ohne zu zögern an die große Holztür am
    Vordereingang, woraufhin sie sich öffnete und ein kleiner Halbling
    hervortrat. Dieser fragte mich was ich denn wolle. Doch ich konnte ihm
    nicht von meinem Vorhaben berichten, zumal ich es selbst noch nicht
    genau durchdacht hatte. Also sagte ich, dass ich eine Versicherung
    abschließen wolle. Er ließ mich rein und führte mich solange durch die
    Räumlichkeiten, bis ich mich im zweiten Stock vor einer dunklen, großen
    Stahltür wiederfand. Der Halbling ließ mich hinein und verschwand dann.
    In diesem Raum waren die Wände mit edler weißer und blauer Seide
    bezogen, an der linken Wand stand ein Regal mit verschiedensten Büchern,
    von wirklich guter Qualität und rechts barg ein großes Fenster einen
    einzigartigen Blick auf die Dächer Altdorfs. Mitten in diesem Raum stand
    ein massiver hölzerner Schreibtisch, an dem ein hagerer großgewachsener
    Mann saß, der einen Lederwams, eine gute Stoffhose und feste, braune
    Stiefel trug. Nun blickte ich in die schwarzen, funkelnden Katzenaugen,
    die zur Ästhetik seines vernarbten, ziegenbärtigen Gesichtes nicht
    beitrugen.


    Gleich darauf stand der Mann auf, reichte mir seine Hand und sprach mit
    schmieriger Stimme »Guten Abend, mein Herr. Ich bin Arrhenius Brauer,
    was kann ich für euch tun?
    « Im selben Tonfall wie unten vor Tür sagte ich
    nur »Ich möchte eine Versicherung abschließen.« Der Mann erklärte mir
    das Procedere, dann ging er ein paar Schritte durch den Raum
    und öffnete das Fenster. Mir wurde kalt, sowohl durch die
    einströmende Nachtluft, als auch durch den Gedanken daran, dieser Mann
    hätte den Mord an meinem besten Freund angeordnet. Schließlich setzte er
    sich wieder hin, rückte nahe an seinen Schreibtisch und fragte mich
    »Habt ihr diesbezüglich noch irgendwelche fragen?« Ich ordnete kurz
    meine Sinne und antwortete »Ja, ich möchte wissen, ob der Arzt,
    Balko Niederstedt, bei euch versichert war.
    « Doch Arrhenius lächelte
    nur kurz und sagte »Nein, ich habe diesen Namen noch nie gehört.«
    Er belog mich eindeutig. Also holte ich die Papiere aus meinem Rucksack
    und legte sie ihm vor »Laut diesen Briefen, wollte er seinen Vertrag
    gerade aufkündigen.
    « Sprach ich mit Inbrunst. Er überflog kurz das letzte
    Blatt und gestand dann resigniert ein »Ja gut, Herr Niederstedt war bei
    uns versichert. Na und? Was bitte geht euch das an?
    «
    Ich sagte einen Moment lang nichts. Während ich mich auf die
    Tischplatte stützte, entdeckte ich plötzlich auf eben dieser, zwischen
    dem Kerzenständer und einem Metallbecher mit Füllhaltern, ein kleines
    Tintenfass mit purpurner Tinte darin. Statt zu antworten, rief ich nun
    voll Wut und mit einer unkontrolliert düsteren Stimme »Habt ihr den
    Mord an Balko Niederstedt zu verantworten?
    « Nach einer weiteren Stille,
    stieß Arrhenius ein gerade zu höhnisches Lachen aus und spottete schließlich
    »Ach bitte, nicht in diesem Ton. Ihr werdet doch nicht daran denken mich zu
    maßregeln?! 'Einen Mord zu verantworten' klingt sehr hart, aber ihr
    wisst sicherlich das in den Mauern Altdorfs schon mal ein kleiner
    'Unfall' geschieht!
    « Nicht länger konnte ich sein Grinsen
    ertragen. Nicht länger wusste ich seinen Spott auszuhalten. Kein
    einziges Wort mehr, konnte ich von ihm hören.


    Jedes noch so kleine Härchen an meinem Körper stand ab. Voll von
    Fassungslosigkeit, Verzweiflung und Hass griff ich in meinen Rucksack,
    zog Balkos Pistole heraus, richtete sie auf Arrhenius und drückte ab.
    Ich hörte den Knall, der das ganze Gebäude zu erschüttern schien. Noch
    einmal sah ich die nun blutbefleckte Seidenwand, als ich hörte, wie
    laute Schritte die Treppe hochstiegen. Umgehend schnellte ich zum
    Fenster, unten konnte ich lediglich zwei kleine Büsche und einen Karren
    mit etwas Stroh erkennen, doch mir blieb nichts anderes übrig. Ich
    stürzte mich in die Tiefe. Mir wurde schwarz vor Augen.

    Als ich nach wenigen Sekunden aufwachte, fand ich mich im Stroh wieder.
    Ich hatte es wirklich überlebt, schnell raffte ich mich auf. Ich war
    verletzt, der Sturz hatte mich wohl stärker getroffen als ich dachte,
    dennoch rannte ich so schnell ich konnte durch die Finsternis bis zur
    Greifengasse, wo ich mein Pferd angebunden hatte. Dort angekommen zog
    ich mich auf den Sattel und ritt weiter und weiter und immer weiter
    durch die dunklen Straßen. Ob mir jemand folgte, wusste ich nicht, ich
    ritt einfach weiter und schließlich durchquerte ich auch die schützenden
    Stadtmauern. So ritt ich hinfort, die Türme Altdorfs hinter mir lassend,
    raus aus dem Reikland und raus aus dem Imperium. Ich machte mich auf
    den direkten Weg nach Tilea, zu den Medusakaskaden und so begann meine
    Reise.


    Eine Geschichte von Oswin Kenschke und Onno Smit.

  • Ja ich bin ein großer Fan dieses Regelwerks und Universums und habe deshalb meinen Charakter aus diesem Bereich kommen lassen. Er ist aber dennoch im Larp des Ankoragahn Universums vertreten durch eine kleine Weitererzählung meiner Geschichte, die hier offensichtilich nicht zusheen ist, das bedeutet dieser Charakter (Oswin Kenschke) ist auch auf einigen Larps zu finden.

  • Das is okay, der Warhammer-Kontinent is per Schiff von Ankoragahn aus zu erreichen, wir kennen schon so einige Leute aus dem "Sigmar-Imperium" wie wir es nennen.

    Bruder Fulcrum Alarich Gletscherherz
    Erster Jäger des Jagdrudels Hewlânosh




    Professionelle Magdanalyse für alle Bereiche!


    "Caprum non iam habeo"


    :silly: