Oswin Kenschke
Vorwort:
In der folgenden Geschichte werde ich, Oswin Kenschke, erzählen welche
Geschehnisse mich dazu brachten, meinem sicheren und stabilen Leben zu
entfliehen, um mein Glück in den abtrünnigen Klauen der weiten Welt zu
suchen. So schreibe ich nun im Vollbesitz meiner geistigen und
körperlichen Kräfte auf, was mich zu dem Mann machte, der ich heute bin
und hoffentlich bis zu meinem Tode sein werde.
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Mit Schwertesstich und Federstrich
14ter Pflugzeit, 2525
Mein Name ist Oswin Kenschke, ich bin 17 Jahre alt und aufgewachsen in
Bögenhafen. Geboren bin ich im Jahre 2508 nach Sigmar, als zweiter Sohn
des dort bekannten Händlers, Theodor Kenschke.
Mein Vater war in diesen Zeiten auch am Hofe Bögenhafens ein angesehener
Mann, da er als persönlicher Pelzhändler und Berater des Grafen von
Saponatheim in Bögenhafen, angestellt war. Meine Mutter Emma Kenschke,
geborene Jung, zog aus dem Stirland nach Bögenhafen, um dort als
Schreiberin zu arbeiten und gelang so an meinen Vater. Er selbst kommt
aus Tilea. Zudem war meine Großmutter mütterlicherseits eine Bretonin,
so lernte meine Mutter neben Reikspiel, auch Bretonisch und deshalb
unterrichtete sie mich ab meinem achten Lebensjahr in der bretonischen
Sprache und mein Vater einige Jahre später in der tileanischen. Sodass
ich bereits im Alter von neun Jahren drei Sprachen beherrschte.
Als ich zehn war, ließ ich mich von meiner Mutter zum Schreiber
ausbilden. Es war schon immer ihr Wunsch gewesen, dass ich einmal ihr
Handwerk vertrete, auch weil mein großer Bruder Friedhelm eher Anstalten
machte später in den Beruf des Schmiedes einzutreten. Nach drei Jahren
beherrschte ich die klassische Sprache fließend und wusste um alle
Fähigkeiten und Qualitäten, die man als Schreiber aufbringen musste,
damit beendete ich meine Ausbildung. Doch als ich gerade dachte, dass
Ranald seine Münzen nur für mich werfen würde, geschah etwas
grauenvolles.
Ein Krieg brach aus - Der Sturm des Chaos!
Nicht Mann für Mann, sondern Bataillon für Bataillon rafften die dunklen
Schlächter in dieser Zeit dahin. Obgleich man durchaus sagen kann, dass
wir einige Male eine Menge Glück hatten, blieb auch meine Familie von
den Geschehnissen nicht ungezeichnet. Mein Vater konnte seinen Kontakt
zum Fürstenhaus nutzen, um für keine der Schlachten eingezogen zu
werden, so auch meine Mutter und ich. Meinen Bruder, allerdings,
versuchte mein Vater vergeblich in die Belegschaft des Adelshauses zu
integrieren, vor allem aber, weil er es selbst nicht wollte, da er dafür
seine Anstellung als Schmied hätte beenden müssen. Mein Vater tat
alles, um Friedhelm umzustimmen, doch sein Entschluss stand fest. Meine
Mutter sagte ihm noch, dass seine Tüchtigkeit gut für ihn sei, bei
seinem Sturkopf würde er sie bald mehr als brauchen.
Das letzte Mal verabschiedete ich mich von meinem Bruder, zwölf Tage
bevor er in die Schlacht bei Dunkelberg zog. Ich werde niemals die
letzten Worte vergessen, die er an mich richtete. Als ich ihn fragte
»Glaubst du, dass du das richtige tust?«, sagte er »Oswin, du weißt
doch, Schmerz ist vergänglich, doch Ehre währt ewig.«
Später berichtete man nur, dass es keine Überlebenden gab, deshalb
wurden auch keine Opfer namentlich verlautbart. Mein Bruder muss also
nicht unbedingt den Tod in Mitten der Chaossoldaten gefunden haben. Aber
vielleicht ist es auch einfach nur mein Wunsch, dass Friedhelm es
überlebt habe, der mich dieses denken macht.
Als ich dann vierzehn war und mein erstes Jahr als Schreiber am Hofe
hinter mir lag, hatte ich auch schon einen gewissen Bekanntheitsgrad
beim Bögenhafener Adel erreicht. Im Sommer jenen Jahres hieß es in
Bögenhafen dann endlich, dass das Chaos wieder unter der Kontrolle des
Imperiums sei, was zunächst für großes Aufatmen sorgte. Dass diese
Behauptung aber entweder zu Propagandazwecken diente oder lediglich ein
törichter Irrtum der Obrigkeit war, sollte sich noch heraus stellen.
Dennoch brachte es mich zum Nachdenken, ob ich wohl für immer in meiner
Heimat bleiben würde oder doch einmal eine ferne Stadt besuchen kann, in
der es andere Speisen gibt, andere Lehren und ganz andere Menschen. Für
den Anfang reiche mir aber auch eine sichere Stadt in der es mal ein
Paar neue Gesichter zu sehen gäbe, dachte ich mir und schon bald zog es
mich nach Altdorf.
Die größte Stadt der Alten Welt, nördlich von Bögenhafen, sei der
Mittelpunkt unseres Imperiums, hieß es immer. Es dauerte nicht lange bis
ich mit meinen Eltern vereinbaren konnte, dass ich mit dem nächsten
Handelszug meines Vaters nach Altdorf aufbrechen konnte. Dort arbeitete
ich dann für den angesehenen Altdorfer Arzt Doktor Balko Niederstedt,
der, wie mir Graf Leopold von Saponatheim anvertraute, einen
sprachgelehrten Schreiber für seine Praxis suchte. Mit einem
Empfehlungsschreiben des Grafen stellte ich mich dann bei Herrn
Niederstedt vor und arbeitete ab dann in seiner Praxis. Über diese Zeit
archivierte ich jeden Patienten, der von Doktor Niederstedt behandelt
worden ist. Ich entwickelte mich zu einer wichtigen Hilfe für ihn und
unsere Zusammenarbeit zu einer wirklich guten Freundschaft. Ich fühlte
mich im Beruf des Protokollanten für einen Arzt wie Herrn Niederstedt
sehr gut aufgehoben, zumal ich mir öfters den ein oder anderen Kniff im
Behandeln von Verletzen aneignen konnte und ich jeden Tag Menschen
kennen lernte, die mir ein anderes Schicksal zu berichten hatten.
Nach einiger Zeit, im Herbst 2524, die Chaostruppen waren schon weit
übers Nordland hinaus vorgedrungen, öffnete ich wie jeden Tag früh am
morgen die Praxis, um schon mal die Akten vom Vortag zu ordnen. Eine
Stunde später kam auch Balko in die Praxis und fing an das
Behandlungszimmer vorzubereiten. Normalerweise behandelte er Kranke, die
aus Häusern des Wohlstandes kamen und einen verletzten Bettler schickte
er eher weg, bevor er ihm kostenlos die Wunden verband. Verständlich,
auch er musste sehen wie er sein täglich Brot bezahlte und auch mich
entlohnte. Doch an diesem einen Tag kam ein Mann in die Praxis, der
milde gesagt abgerissen aussah, er mag einmal eine ordentliche Kleidung
getragen haben, aber selbst wenn, lag das einige Wochen oder Monate
zurück. Seine Leinenhose war mehrfach eingerissen und sein Hemd mit Deck
und Blut getränkt, seine Haare waren zerzaust und unrasiert und seine
Hüfte war von einer klaffenden Wunde gezeichnet, als hätte eine
blutrünstige Grünhaut einen starken Hieb an ihm gesetzt. Doch als eben
dieser Mann die Tür des Behandlungszimmers öffnete und mir und dem
Doktor gegenüber stand, glaubte ich nicht was geschah. Balko legte sein
Klemmbrett nieder und fiel ihm ohne zu zögern um den Hals. Mit
geschwächter Stimme sprach der vermeintliche Fremde langsam
»Balko, es tut so gut dich wieder zu sehen.« Der Doktor erwiderte
»Was hast du so lange gebraucht, zurück zu kommen?« Dann realisierte er
die blutige Wunde in seinem Leib und fügte hinzu »Du wurdest wohl ein
wenig aufgehalten, wie?« Als wäre der Mann schon öfters in diesem Raum
gewesen, schleppte er sich auf die Krankenliege und sagte »Genau,
ich hatte mich etwas fest gequatscht, mit einem Troll. Es ging darum,
dass er mir ein Rezept zur Zubereitung meines Fleisches beibringen
wollte und ich ihm daraufhin half seine Höhle mit seinen Eingeweiden zu
dekorieren.« Der Doktor entgegnete nur ein Lächeln, woraufhin er
anfing die Wunden des Mannes zu versorgen, dann brachte er ihn in den
Waschraum und gab ihm frische Kleidung aus dem Schrank für
Patientenkittel.
Später erklärte mir Balko dann, dass der Mann Godwin Wartstein hieß und
vor vier Jahren mit ihm in einer Karawane von knapp hundert Mann von
Nuln nach Altdorf reiste. Einige Meilen bevor sie die Stadt erreichten
wurden sie von einem guten Dutzend Skaven angegriffen. Die gesamte
Karawane wurde gemordet und geplündert. Auch Balko wurde beinahe von
einer Ratte erwischt, aber als diese gerade versuchte ihm das Licht aus
den Augen zu löschen, kam Godwin dazu und streckte den Skaven nieder.
Mit viel Mühe konnten die beiden dann nach Altdorf flüchten.